Die kosmische Inflation: vorbereitende Einführung

  Die kosmische Inflation: vorbereitende Einführung

Die kosmische Inflation, der Anfang des Universums?

Wir kommen nun zum Anfang des Anfangs unseres Universums: Woraus und wie ist alles entstanden? Können wir das überhaupt wissen? Mit der Überschrift „Die kosmische Inflation“ sprechen wir ein grosses Wort gelassen aus. Inflation klingt zunächst trivial, das kennen wir doch! Inflation bedeutet „Aufblähung“. Im englischen heisst ‚to inflate‘ aufblähen. Klar, wir können Ballons aufblähen, Reifen und die Geldmenge – die finanzielle Inflation ist uns sehr geläufig. Aber der Kosmos? Und das am Anfang, wenn doch noch nichts da ist? Das übersteigt doch jedes Vorstellungsvermögen. Und damit befinden wir uns in bester Gesellschaft mit Physikern Astronomen und Astrophysikern, denen es in den letzten 100 Jahren nicht anders gegangen ist.

Sie haben schlussendlich das Pferd von hinten aufgezäumt und ausgehend von unserem jetzigen Universum zurückgeblickt und versucht Schritt für Schritt die Vergangenheit zu erforschen, um irgendwann den Anfang zu erreichen. Aber auch diese Vorgehensweise war alles andere als vorgezeichnet. Denn vor hundert Jahren und noch lange danach gab es eine gewaltige Hürde, derentwegen niemand auf diese Idee kommen konnte: das Universum wurde für absolut statisch gehalten, ja von vielen sogar für absolut unveränderlich – ohne Anfang und Ende. Es hat schon immer so existiert, was die Frage nach einem Anfang (oder gar Ende) sinnlos machte. Selbst Einstein war keine Ausnahme: seine geniale allgemeine Relativitätstheorie ging ursprünglich ebenfalls von einem statischen Kosmos aus. Als sich herausstellte, dass die Theorie sich einfach über die Meinung der Physiker und Astronomen hinwegsetzte und zu einem dynamischen, sich ausdehnenden Universum führte, erfand er die berühmte „kosmologische Konstante“, Ʌ (Lambda). Sie wirkte der Ausdehnung entgegen und führte zurück zum statischen Universum. Wir kennen Ʌ bereits seit einiger Zeit aus den blogposts zu dunkler Energie (https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-1-entdeckung-bedeutung-konsequenzen/).

Der Blick in die Vergangenheit – die Hightechgeräte

Wie weit können wir zurückblicken in Richtung Anfang? Zunächst einmal ist jeder Blick in den Sternenhimmel mit dem blossen Auge, einem Amateurfernrohr, einem gewaltigen professionellen Fernrohr wie dem europäischen „very large telescope“ (VLT) mit vier 8,2m Spiegeln (von 1999) oder gar einem Satelliten-gestützten Fernrohr wie dem Hubble Teleskop in 600 km Höhe ein immer tieferer Blick in die Vergangenheit. Dieser ist nicht auf optische Teleskope beschränkt. Es gibt inzwischen Teleskope für praktisch alle Wellenbereiche des elektromagnetischen Spektrums: Röntgenteleskope, Gammastrahlenteleskope, Infrarotteleskope, Radioteleskope. Letztere haben vor kurzem (2016) einen gewaltigen Zuwachs bekommen, das sog. FAST-Teleskop in China mit einem Schüsseldurchmesser von einem halben Kilometer. Die meisten dieser Teleskope werden heutzutage mit Satelliten in hohe, atmosphärefreie Umlaufbahnen oder noch höhere geostationäre Positionen gebracht. Ein herausragender Durchbruch sind die drei super-erfolgreichen Satelliten-Mikrowellenteleskope -COBE, WMAP und PLANCK- die mit der Erforschung und präzisen Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung unseren Blick auf das Universum für immer verändert haben. Dies haben wir im letzten blogpost ausführlich diskutiert (https://cosmoblog.space/der-kosmische-mikrowellen-hintergrund-teil-2-cosmic-microwave-background-cmb/).

Die Grenze des Möglichen

Mit den immer grösseren Teleskopen können wir immer weiter und tiefer in das Universum und somit seine Vergangenheit blicken. Wir können auf verschiedenste Weise Milliarden von Lichtjahren überbrücken, d.h. das Licht einfangen das vor Milliarden von Jahren von leuchtstarken Objekten wie Galaxien, Quasaren oder Supernovae ausgestrahlt wurde. Wenn dieses Licht auf seinem langen Weg in unsere Teleskope gestört, behindert oder verhindert wird, können wir -s. oben- auf andere Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums ausweichen. Die Störungen können grosse Galaxien oder Galaxiencluster sein, riesige Staubwolken, starke Magnetfelder, um nur einige zu nennen. Die Entdeckung und Vermessung des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds hat uns bis an die Grenze des Möglichen in Richtung Anfang des Universums zurückgeführt. Diese Grenze erwies sich als der Zeitpunkt von etwa 380 000 Jahren nach dem absoluten Anfang. Der Grund ist einfach: davor konnte es keine elektromagnetische Strahlung geben, deren Träger ja die Photonen sind. Das Universum bestand bis dahin -wie wir ausführlich in Teil 1 und 2 des blogposts zum kosmischen Mikrowellen-Hintergrund diskutiert haben- aus heissestem Plasma von überwiegend Protonen und freien Elektronen. An letzteren wurden die Photonen gestreut und waren so wie in einem gigantischen Käfig gefangen. Erst nach genügender Abkühlung, die es den Elektronen erlaubte, sich mit den Protonen zu Atomen zu vereinigen, wurden die Photonen freigesetzt und konnten ihre „Informationen“ durch das Universum tragen und nach mehr als 13 Milliarden Jahren unsere Teleskope erreichen. Was davor in den ersten 380 000 Jahren im und mit dem Universum geschah, blieb und bleibt buchstäblich im Dunklen. Dieses schwierigste Feld, das sich jeglicher Beobachtung entzieht, bleibt nun der theoretischen Astrophysik und Kosmologie und damit der Genialität der besten Wissenschaftler auf diesen Gebieten überlassen.

Der Weg zum Uranfang: die Expansion des Kosmos

Ausgangspunkt für Informationen zwischen dem absoluten Beginn des Kosmos und den ersten 380 000 Jahren ist die kontinuierliche Ausdehnung des Universums vom allerersten Anfang bis auf den heutigen Tag. Sie führt dazu , dass sich alles von allem entfernt und zwar umso schneller je weiter es von uns entfernt ist. Dies wurde 1929 von dem amerikanischen Astronomen Edwin Hubble entdeckt und in Folge von zahllosen Astronomen bestätigt und zweifelsfrei bewiesen. Der Hubble Parameter Ht beschreibt die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums. Die Dimension des Hubble-Parameters Ht wird in Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec (km/sec Mpc) angegeben. Eine Megaparsec (Millionen Paralaxen-Sekunde) entspricht 3,26 Millionen Lichtjahren. Die Bestimmung des numerischen Wertes von Ht hat nach 1929 praktisch das ganze 20. Jahrhundert (und etwas darüber hinaus) in Anspruch genommen. Heute ist die Deutung wieder stark umkämpft, da die verschiedenen Bestimmungsmethoden nicht übereinstimmen. Hier gehe ich nicht näher darauf ein. Wichtig ist, dass zu den besten Messungen des Hubble Parameters diejenigen des WMAP- und PLANCK – Satelliten gehören. Sie wurden bei der jeweiligen Vermessung des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds erhalten. Auch der Hubble Parameter konnte also neben anderen wichtigen kosmologischen Parametern hieraus abgeleitet werden. Er beträgt

Ht ≈ 67,8 +/-0,9 km/s x Mpc         (Planck 2015).

Hubble-Zeit und Hubble-Parameter – ein willkommenes Hilfsmittel

Der Ht– Wert gibt die Expansionsgeschwindigkeit des Universums an. Die Dimension (km/s Mpc) entspricht, wie man leicht erkennt, einer inversen Zeit. Der reziproke Wert des Hubble-Parameters – Hubble-Zeit genannt – gibt daher das Alter des Universums seit dem »Urknall« an, allerdings nur, wenn man eine gleichförmige Expansion zugrunde legt. Wie wir heute wissen (vgl. Kapitel zur Dunklen Materie und Dunklen Energie) ist dies nicht der Fall (weswegen der Hubble-Parameter auch keine Konstante ist). Es gab Phasen mit unterschiedlichen Ausdehnungsgeschwindigkeiten.

Die Kernfakten der kosmischen Expansion

Im Jahr 1998 fanden zwei Arbeitsgruppen unabhängig – und in Konkurrenz zueinander –, dass sich die Expansionsgeschwindigkeit des Universums nicht – wie festzustehen schien – mit der Zeit verringert, sondern im Gegenteil beschleunigt. Es waren die Gruppen am Lawrence Berkeley National Laboratory unter Saul Perlmutter und an der Australian National University unter Leitung von Brian Schmidt. Wir haben die Einzelheiten dieser Befunde in den blogposts zur Dunklen Energie abgehandelt. Relevant in diesem Zusammenhang ist Teil 2 dieser blogposts (https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-2-eigenschaften-und-wirkung/), der sich mit dem Mechanismus der Ausdehnung befasst und jederzeit unter obiger URL nachgelesen werden kann (was ich zum besseren Verständnis dieses Kapitels empfehlen würde). Die wichtigsten Kernfakten der Expansion des Universums -die ich hier gerne nochmal wiederhole- sind erstens, dass die Expansion überall, an jedem Punkt des Universums kontinuierlich stattfindet und zwar durch Schaffung neuer Raumzeit und dass dadurch zweitens vor etwa 7 Milliarden Jahren die Gravitation als dominierende Kraft im Universum von der Dunklen Energie überwunden wurde und seither die beschleunigte Expansion des Kosmos verursacht.

Extrapolation der Ausdehnung zurück führt in die Sackgasse der Singularität

Diese Tatsachen verhindern, dass man einfach von der heutigen Situation zurück in die Vergangenheit bis zum allerersten Anfang extrapolieren kann. Tut man es doch unter Vernachlässigung des quantitativen Aspekts der sich verändernden Expansion, so kommt man über ein kontinuierlich sich verkleinerndes Universum zumindest qualitativ zu einem Anfang, der nicht mehr definierbar ist. Das ganze Universum wäre zu einem Punkt geschrumpft, dem gegenüber ein i-Punkt eine gewaltige Dimension darstellt. Dieser Punkt müsste die Energie für das ganze heutige Universum in dieser oder Materieform enthalten und von sub-submikroskopischer unvorstellbarer Kleinheit sein. Nichtsdestoweniger war dies die Vorstellung der Wissenschaft seit fast 100 Jahren – und ist es teilweise noch heute. Dabei wird in Kauf genommen, dass natürlich unsere Physik hier zusammenbricht und keinerlei Erklärung mehr liefern kann. Auch Einstein propagierte diese Vorstellung und nannte sie eine Singularität. Dies ist nichts anderes als ein Euphemismus für unsere Unkenntnis!

Der weisse Ritter?

Was bis vor kurzem nicht berücksichtigt wurde, war die Tatsache, dass ja seit einiger Zeit schon die Phänomene des Kleinsten nur mit der Quantentheorie beschreibbar sind. Mit dieser Vorgabe sind in den letzten ca. 10 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden, die zu einer Neubewertung und – z.Z.noch tentativer – Beschreibung des allerersten Anfangs geführt haben. Das Zauberwort hierzu heisst Quantengravitation. Im nächsten blogpost werden wir uns intensiv mit diesen Überlegungen und Theorien befassen.

 

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild: Die Expansion des Universums

Credit: NASA / WMAP Science Team/public domain

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

 

 

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