Dunkle Energie, Teil 2: Herkunft, Eigenschaften und Wirkung

Dunkle Energie, Teil 2: Herkunft, Eigenschaften und Wirkung

 

Im letzten blogpost (https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-1-entdeckung-bedeutung-konsequenzen/) haben wir die Dunkle Energie als Ursache der beschleunigten Ausdehnung des Universums kennen gelernt.Wir sind also mit einer neuen, antigravitativen Kraft konfrontiert, die vor etwa 7 Milliarden Jahren die im Universum dominierende Gravitation überwunden hat, was zu einer beschleunigten Expansion des Universums führte, die bis heute anhält und möglicherweise weiter zunimmt – eben der Dunklen Energie.

Dunkle Energie, eine extrem schwache,doch dominierende Kraft

Die Dunkle Energie ist trotz ihrer zunehmenden Dominanz eine derartig schwache Kraft, dass sie in Maßstäben wie unser Sonnensystem so gut wie nicht wahrnehmbar ist. Sie besitzt  eine Dichte, die  berechenbar ist, von unfassbaren etwa 10-26 Kilogramm pro Kubikmeter, was »einer Handvoll von Wasserstoffatomen entspricht«. Man geht davon aus, dass sie das gesamte Universum völlig gleichmäßig erfüllt, und das seit Bruchteilen der ersten trillionsten Sekunde nach dem Urknall. Sie nimmt nicht ab – wie beispielsweise die Materiedichte oder die Gravitationskraft –, während der Kosmos weiter expandiert. Dies bedeutet, dass die Dunkle Energie eine intrinsische Eigenschaft der Raumzeit selbst sein muss. Auch die Gravitation ist ja eine sehr schwache Kraft, dafür aber von theoretisch unendlicher Reichweite. Seit Beginn des Universums wurde sie unaufhörlich durch die kosmische Expansion geschwächt, bis sie nach zirka sieben Milliarden Jahren von gleicher Größenordnung war wie die Dunkle Energie. Während ihr Anteil im Universum  weiter zunimmt, wird die Gravitation durch die Expansion immer weiter geschwächt, sodass sie eines fernen Tages, außer in ganz lokalen Bereichen, keine Rolle mehr spielen wird. Das führt zu dem großen Paradoxon, dass die superschwache Dunkle Energie nach Milliarden von Jahren und über Milliarden von Lichtjahren sich zur stärksten und dominierenden Kraft des Universums entwickelt hat. Es lohnt, einen Moment innezuhalten und sich klar zu machen – das nächste Paradoxon –, welch ungeheuren Erkenntnisgewinn wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, obwohl wir nicht wissen, worum es sich handelt.

Expansion des Universums ist eine Ausdehnung des Raums selbst und nicht innerhalb des Raums

Wie haben wir uns die Expansion des Universums überhaupt vorzustellen? Die Rotverschiebungen der Galaxien (vgl. „Rotverschiebung als unabhängige Entfernungsmessung in https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-1-entdeckung-bedeutung-konsequenzen/)  zeigen eindrucksvoll, dass sie sich nicht nur aus unserer Sicht entfernen, sondern auch alle voneinander. Mehr noch: je weiter sie von uns entfernt sind, je grösser also ihre Rotverschiebung ist, umso schneller entfernen sie sich auch von uns. Man ist versucht zu fragen: “wohin entfernen sie sich”? Wer so fragt, muss bald erkennen, dass diese Frage in eine Sackgasse führt. Die Dimensionen unseres Universums sind zwar gewaltig jenseits aller Vorstellung, jedoch nicht unendlich. Würden sich die Galaxien innerhalb des Raums voneinander entfernen, müssten sie sich irgendwann –wir reden hier von Abermilliarden von Jahren -ins Gehege kommen. Fakt ist jedoch das genaue Gegenteil: die Entfernungen zwischen ihnen werden ausnahmslos und kontinuierlich grösser. Diese Feststellung führt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass sich dann der Raum selbst ausdehnen muss.

Expansion beginnt im Quantenbereich an jedem Punkt der Raumzeit

Wie soll das ablaufen? Unsere Alltagserfahrung würde sagen, er wächst von seinen”Rändern” aus weiter. Aber wohin? Auch diese Vermutung ergibt keinen Sinn. Es gibt nichts in das der Raum “hineinwachsen” könnnte, nicht einmal ein Vakuum. Auch dieses ist nur innerhalb der Raumzeit vorstellbar. Das führt uns zu der einzig vorstellbaren Lösung: Das Ergebnis der kosmischen Ausdehnung ist eine kontinuierliche Zunahme der Raumzeit. Der Kosmos dehnt sich nicht innerhalb eines existierenden Raums aus, sondern schafft neue Raumzeit und zwar an jedem Punkt des Universums. Das darf man sich zunächst durchaus als im submikroskopischen, also Quantenbereich geschehend vorstellen (wir kommen hierauf später zurück). Durch diesen von Anfang an kontinuierlichen – wenn auch zu verschiedenen Epochen unterschiedlich schnellen – Vorgang ist über die fast 14 Milliarden Jahre der Existenz des Kosmos das gigantische Universum entstanden, das wir kennen beziehungsweise zu kennen glauben.

Raumzeit ist keine starre Bühne; sie ist gequantelt bzw, „gekörnt“. Ihre kleinsten Einheiten sind sog. „Schleifen“

Zielführend war hierbei die Einbeziehung des diskreten oder »gekörnten« Zustands von Raum und Zeit. Dies ist eine Kernaussage der sog. Schleifen-Quantengravitation. Damit greife ich weit vor, denn sie wird Thema eines der letzten posts dieses blogs sein. Ihre Einführung hier erleichtert jedoch das Verständnis der hier diskutierten Probleme von Expansion, Raumzeit und dunkler Energie so sehr, dass ich es für mehr als gerechtfertigt halte. Unter der Quantengravitation fasst man alle schon Jahrzehte alten Bemühungen zusammen, die Gravitation, wie von Einstein beschrieben und die Quantentheorie in einer allumfassenden Theorie zusammenzuführen. Das ist bisher nicht gelungen, jedoch gibt es einige vielversprechende Ansätze. Die “Schleifen” stehen hier für im Quantenbereich existierende kleinstmögliche Raumzeit-Einheiten. Tiefer brauchen wir im Moment nicht einzudringen. Einer der bekanntesten Vertreter und Schöpfer dieser Schleifen-Quantengravitation ist der deutsche Teilchen- und Astrophysiker Martin Bojowald, der zur Zeit an der University of Pennsylvania forscht. Er hat praktisch die Quantelung von Raum und Zeit –genauer: der Raumzeit- eingeführt. Die von Energie, war schon lange bekannt, war sie doch der Auslöser für die Schöpfung der Quantentheorie überhaupt durch Planck’s Erkenntnisse bei der Strahlung sog. Schwarzer Körper.

Das ist nicht weniger als eine Revolution unseres Verständnisses vom Universum. Bei Einstein war die Raumzeit eine unveränderliche, starre Bühne, auf der sich alles Geschehen abspielte. Nun ist sie selber zum Akteur geworden! Und noch eine garnicht hoch genug zu bewertende Erkenntnis folgt hieraus: Alles Grosse, der Makrokosmos  ja, das ganze Universum einschliesslich seiner Materie, Energie, Raum und Zeit ist aus den kleinstmöglichen, im Quantenbereich verwurzelten Einheiten entstanden bzw. aufgebaut.

Raumatome und Zeitatome bauen kontinuierlich überall neue Raumzeit auf

Diese kleinstmöglichen Einheiten der Raumzeit, die “Schleifen” können somit auch als Raumatome oder Raumquanten und Zeitatome oder Zeitquanten –bei getrennter Behandlung der Raumzeit- bezeichnet werden. Damit ist klar, dass ihre Behandlung und Untersuchung nur durch die Quantentheorie erfolgen kann. Abschliessend sei noch erwähnt, dass man den Raum- bzw. Zeiteinheiten eine netzartige Struktur zuschreibt und entsprechend von einem Raum- bzw-Zeitgitter spricht. Diese Erkenntnisse und Überlegungen werden uns am Ende des Gesamtblogs noch intensiv beschäftigen.

Jetzt zurück zur Dunklen Energie, die ja die kontinuierliche (und beschleunigte) Ausdehnung des Raums treibt.  Wie bereits angemerkt, findet die Expansion an jedem Punkt des Universums dauernd statt. Nach dem oben Gesagten kann man sich das so vorstellen, dass unaufhörlich, d.h. seit dem Urknall bis heute und überall neue Raumzeit-Atome Planck’scher Grössenordnung im Quantenbereich entstehen und über viele Milliarden Jahre kontinuierlich wachsen, makroskopische Grösse erreichen und so den Raum selbst unaufhörlich vergrössern und überall expandieren lassen. Dadurch entfernen sich alle Strukturen im Raum ebenso kontinuierlich voneinander.

Dunkle Energie ist die treibende Kraft der Expansion und eine unveränderliche Eigenschaft der Raumzeit selbst

Die Dunkle Energie ist also in der Welt und verschwindet auch nicht mehr. Inzwischen macht sie 69,2% des Universums aus (Ergebnis der Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung durch den Planck Satelliten). Ihr prozentualer Anteil hat seit dem Urknall ständig zugenommen. Ihre Dichte jedoch ist immer und überall gleich. Jedes gegebene Volumen im Universum enthält einen bestimmten, intrinsischen Betrag an Dunkler Energie. Diese ist damit –wie weiter oben bereits ausgeführt- eine unveränderliche Eigenschaft der Raumzeit selbst und bildet, da sie den gesamten Raum durchdringt ein sog. skalares Energiefeld. Sie wirkt eindeutig als antigravitative Kraft, musste sich aber in der ersten Hälfte der Existenz unseres Kosmos der Gravitation geschlagen geben. Diese überwog solange das Universum noch deutlich kleiner war, wurde aber durch dessen kontinuierliche, aber zunächst gebremste Expansion immer schwächer – bis sich das Verhältnis umdrehte.

Das alles sind Fakten, die im Lauf der letzten Jahrzehnte von ungezählten Forschern und internationalen Gruppen mit riesigen Spezialteleskopen und Satelliten zusammen getragen wurden. Ihre Natur jedoch bleibt nach wie vor –der Leser errät es – im Dunklen.

Ist Einsteins kosmologische Konstante Ʌ (Lambda) der weisse Ritter?

Die hier diskutierten Eigenschaften der Dunklen Energie weisen jedoch auf eine Grösse hin, die seit gut 100 Jahren in der Welt ist: die berühmte kosmologische Konstante, Ʌ (Lambda), mit der Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie “korrigieren” wollte, um sie in Einklang mit der seinerzeit dominiernden Theorie eines statischen Universums zu bringen.

Die wechselvolle Geschichte von Ʌ, ihr Verschwinden und die Wiederauferstehung wird uns im nächsten blogpost beschäftigen.

 

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild:  Zusammensetzung des Universums heute: Dominanz der Dunklen Energie. Credit: LSW der Universität Heidelberg (lsw. uni-heidelberg.de); CMB: kosmischer Mikrowellen Hintergrund

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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