Das ultimative Phänomen im Kosmos: Schwarze Löcher, Teil 4

Das ultimative Phänomen im Kosmos: Schwarze Löcher, Teil 4

 

 

Mit diesem blogpost schliessen wir die Behandlung eines im Universum ebenso alltäglichen wie für uns rätselhaften und unfassbaren Phänomens ab. Im vorangegangenen blogpost (https://cosmoblog.space/das-ultimative-phaenomen-im-kosmos-schwarze-loecher-teil-3/) haben wir gesehen, dass schwarze Löcher entgegen jeder vorherigen Annahme tatsächlich strahlen und dadurch Masse verlieren. Dies ist inzwischen unbestritten. Wir untersuchen jetzt nochmals die Strahlung schwarzerLöcher und eine fiktive Reise dorthin.

Natur und Mechanismus der Hawking Strahlung

Mit dem dahinterstehenden Mechanismus, der sog. Hawking Strahlung, müssen wir uns allerdings nochmal beschäftigen. Wie in Teil 3 beschrieben, stürzt -gemäss Hawking- eines der kontinuierlich überall entstehenden Teilchen/Antiteilchen Paare durch die enorme Gravitation des schwarzen Lochs in dieses, bevor sich das Paar unter Ausssendung von Gammastrahlen wieder vernichten kann. Das zweite entweicht danach als Strahlungsteilchen in den Raum. Dieser von Hawking 1974 publizierte Mechanismus entspricht nicht den Tatsachen – und Hawking soll es gewusst haben. Eines der Hauptargumente gegen den Hawking-Mechanismus ist die Tatsache, dass die überall entstehenden Teilchen/Antiteilchen Paare virtuelle Teilchen sind, die mit „realen“ Teilchen garnicht wechselwirken können. Sie sind auch in keinster Weise nachweisbar. Entsprechend lässt sich behaupten, dass es sich hier um quantenphysikalische Rechenoperationen handelt. Hawking Strahlung kann deshalb nicht aus Teilchen und Antiteilchen bestehen: sie besteht so gut wie ausschliesslich aus Photonen!

Die unvorstellbare Gravitation eines schwarzen Lochs führt in seiner Umgebung natürlich zu einer enormen Krümmung des Raums (genauer: der Raumzeit). Denn nach der Allgemeinen Relativitätstheorie ist Gravitation nichts anderes als die durch Masse bestimmte Krümmung der Raumzeit. Die Hawking Strahlung geht nicht, wie ursprünglich beschrieben, ausschliesslich vom Ereignishorizont aus. Vielmehr ist der gekrümmte Raum um das schwarze Loch das Ausgangsvolumen der Strahlung. Es umfasst etwa 10-20 Schwarzschild – Radien. Der Schwarzschild-Radius ist der Radius des Ereignishorizonts. Erst in dieser Entfernung nimmt die Strahlung allmählich ab, im Einklang mit der sich entsprechend abschwächenden Raumkrümmung.

Ultimative Konsequenz der Hawking Strahlung: Energie-und Massenverlust, Verdampfung und Verschwinden der schwarzen Löcher

Schwarze Löcher verlieren so über riesige Zeiträume Masse und Energie über die Hawking Strahlung, auch wenn es erst nach Dutzenden von Milliarden Jahren merkbar würde. Dabei verringert die Strahlungsenergie langsam die Raumkrümmung um das schwarze Loch, was wiederum die Abgabe von Strahlung verstärkt. Je kleiner das schwarze Loch wird, um so schneller „verdampft“ und desto wärmer wird es und desto mehr nimmt die Abstrahlung zu – ein sich selbst verstärkender Prozess. Wenn man dies zu Ende denkt, was Stephen Hawking natürlich getan hat, kommt man zu einem Punkt, an dem die Abstrahlung von Partikeln zu einem reißenden Strom wird und das Schwarze Loch, das inzwischen glühend heiß geworden ist, vielleicht sogar explodiert. Bevor dieses Stadium erreicht wird, hat unser Universum aber längst aufgehört zu existieren

Eine fiktive Reise zu und in ein schwarzes Loch

Die Umgebung eines Schwarzen Lochs ist keine, in der sich Menschen aufhalten können oder möchten. Die enorme Gravitation, auch außerhalb des Ereignishorizonts, führt zu sehr exotischen Bedingungen. Gerade das hat zu vielerlei Gedankenexperimenten geführt, was passieren würde, wenn man sich einem Schwarzen Loch nähert – und auch den Ereignishorizont überschreitet. Die Physik kann bis zum Ereignishorizont hierauf durchaus Antworten geben. Nehmen wir an, dass ein Raumschiff mit Beobachtern ein Schwarzes Loch in einem sicheren Abstand umkreist, wobei es eine extrem hohe Geschwindigkeit erreichen müsste, um der Gravitation die Waage zu halten. Wie bei der Mondlandung setzt es eine Kapsel mit einem tollkühnen (und lebensmüden) Beobachter ab, die sich dem Schwarzen Loch vollständig nähert und schließlich hineinstürzen wird. Bei der Annäherung an den Ereignishorizont wird der Beobachter in der Kapsel die Gravitation immer stärker zu spüren bekommen. Die Zeit vergeht für ihn immer schneller. Paradoxerweise wird das Licht um ihn herum immer blauer und heller. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Licht der Hintergrundsterne durch die enorme Gravitation eine massive Blauverschiebung erfährt. Das Licht scheint aus allen Richtungen zu kommen und wird immer heller. Alle von aussen einfallende Strahlung wird in einem blau verschobenen Ring um das Zentrum des Schwarzen Lochs konzentriert.

Die Erlebnisse des Reisenden in ein schwarzes Loch

Es taucht eine kuppelartige Fläche in grellstem Blau, der sogenannten »Cauchy-Horizont« auf, der hinter dem Ereignishorizont liegt, dessen Passieren unser bereits pulverisierter Beobachter gar nicht bemerkt hat. Nochmal zurück vor den Ereignishorizont. Je näher man ihm kommt, desto verzerrter und gequetschter sieht der noch sichtbare Sternhimmel aus. Viele Sterne sieht man doppelt oder mehrfach. Grund sind Gravitationslinsen, die bei weiterer Annäherung immer stärker werden und in einem Einstein-Ring um das Schwarze Loch enden. Das geht so weit, dass man Sterne, die hinter unserem Beobachter in der Raumkapsel liegen, jetzt – verzerrt – von vorne sieht, nachdem das Licht das Schwarze Loch einmal umrundet hat. Schon vor Erreichen des Ereignishorizonts wird die Gravitation so stark, dass der »Gezeiteneffekt« das Ende des Beobachters herbeiführen dürfte. Darunter versteht man die verschieden starke Gravitationskraft, die auf Füße und Kopf wirkt, wenn der Beobachter mit den Füßen voran in das Schwarze Loch stürzt. Der Unterschied in dem immensen Gravitationsfeld ist so gewaltig, dass unser Beobachter dadurch in die Länge gezogen und gleichzeitig zusammen gequetscht wird. Stephen Hawking hat das »Spaghettisierung« genannt. Besser gefällt mir die Beschreibung der amerikanischen Astrophysikerin Janna Levin, die von einer Streckung zu einer Giacometti-Skulptur spricht. In jedem Falle ist es nun um unseren Beobachter geschehen, der nach Passieren des Ereignishorizonts im Bruchteil einer Sekunde buchstäblich atomisiert und in Elementarteilchen zerlegt wird. Er erreicht das Zentrum des Schwarzen Lochs als Quantenschaum.

Die Erlebnisse des Beobachters in sicherer Entfernung

Der Beobachter, der im Raumschiff in sicherer Entfernung das Schwarze Loch umkreist und so weit wie möglich die Reise der Kapsel mit dem zweiten Beobachter verfolgt, sieht etwas ganz anderes. Je näher die Kapsel dem Schwarzen Loch kommt, umso dunkler erscheint sie dem Beobachter in der Ferne. Die Wellenlängen des Lichts nehmen zu, und es wird roter und dunkler. Die Zeit wird gedehnt, und die Raumkapsel scheint immer langsamer zu werden. Sie ist immer schlechter von außen zu sehen, da das Schwarze Loch ja kein Licht aussendet. Schließlich, in der Nähe des Ereignishorizonts, scheint die Raumkapsel stehen zu bleiben, und das ändert sich nicht mehr. Die Zeit kommt zum Stillstand. Es kann nichts mehr passieren, es gibt keine Ereignisse mehr. Für den entfernten Beobachter im umkreisenden Raumschiff scheint die Kapsel über dem Ereignishorizont zu schweben – bewegungslos. Sie fällt für ihn nicht in das Schwarze Loch.

Wie ist das möglich? Sie fällt (für den tollkühnen Passagier) und fällt gleichzeitig nicht (für den Beobachter in sicherer Entfernung)? Die Lösung dieses Problems ist einfacher als befürchtet! Schuld ist wieder einmal die gewaltige Gravitation, die auch die Photonen erfasst, die das Image der sich dem Ereignishorizont nähernden Raumkapsel abbilden. Sie müssen mehr Energie aufwenden, d.h. abgeben, um die immer stärker werdende Krümmung der Raumzeit zu überwinden. Damit verschiebt sich ihre Wellenlänge in den roten Bereich (s. oben). Das Rot des Kapselimages vertieft sich weiter je näher die Kapsel dem Ereignishorizont kommt. Tatsächlich ist die Kapsel längst im schwarzen Loch verschwunden und atomisiert worden. Das Image ist aber noch da, da die Photonen immer schwerer und damit langsamer der stark gekrümmten Raumzeit entkommen können. So wird das Image immer schwächer und verblasst zunehmend bis es ganz verschwunden ist. Dies ist gleichzeitig ein anschauliches Beispiel für die extreme Dehnung der Zeit in unmittelbarer Nähe des schwarzen Lochs.

Annäherung an ein galaktisches, supermassives schwarzes Loch

Wesentlich glimpflicher würde eine Annäherung an die gigantischen Schwarzen Löcher von Millionen oder gar Milliarden Sonnenmassen im Zentrum von Galaxien verlaufen. Für eine Erklärung reicht das Newton’sche Gravitationsgesetz, nach dem die Gravitationskraft ja mit zunehmender Entfernung vom Gravitationszentrum – quadratisch – abnimmt. Bei der viel größeren Ausdehnung solcher Schwarzer Löcher ist die Gravitation an den Rändern des Schwarzen Lochs viel geringer als im obigen Beispiel.

Wir beenden hier den Diskurs zu Schwarzen Löchern, die bei Weitem die interessantesten und exotischsten Objekte im Kosmos sind. Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer wieder neue, erstaunliche Fakten zu ihnen erfahren.

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

 Beitragsbild: Illustration stark gekrümmetr Raumzeit ausserhalb des Ereignishorizonts. Credit: Medium.com 16. April 2019; Martin Johnson

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

In eigener Sache:

Fast auf den Tag genau 3 Jahre habe ich diesen Blog über moderne Kosmologie konzipiert und unterhalten. Die vorliegende Folge ist die Nr. 32 an blogposts. Leider ist dieser der vorläufig letzte. Grund: ich muss ab jetzt an der 2. Auflage meines oben abgebildeten und recht erfolgreichen „Cosmoblog“ Buchs arbeiten. Dies wird mich voll auslasten. Veranschlagte Zeit: ca. 6-12 Monate. Ich danke allen Lesern für ihr Interesse und darf Ihnen  versichern, dass Cosmoblog online und jederzeit zugänglich bleibt unter seiner URL 

   https://cosmoblog.space

Im Archiv kann jeder der 32 blogposts aufgerufen werden. Darüberhinaus freue ich mich weiter über jeden Kommentar und beantworte jederzeit gerne alle auftauchenden Fragen. Allen Interessenten nochmals Dank und bis bald,

Peter Jacobi

 

 

 

 

 

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