Das ultimative Phänomen im Kosmos, Schwarze Löcher, Teil 2

Das ultimative Phänomen im Kosmos, Schwarze Löcher, Teil 2

 

Im 1.Teil dieses Themas haben wir die Entstehung schwarzer Löcher als mögliches Ende des Lebenszyklus massereicher Sterne über die letzte Zwischenstufe gewaltiger Supernovae besprochen (https://cosmoblog.space/das-ultimative-phaenomen-im-kosmos-schwarze-loecher-teil-1/). Dies war sehr nützlich, um die verschiedenen Stufen dieser Entstehung nachzuvollziehen. Die ungeheure Rolle schwarzer Löcher im Kosmos beruht jedoch auf einer anderen, zunächst unglaublichen Tatsache: In den Zentren praktisch aller Galaxien, unabhängig von ihrer Struktur, sitzen supermassive Schwarze Löcher unvorstellbarer Masse, die zwischen einigen Millionen und Milliarden von Sonnenmassen liegen.

Übersicht zum Stand der Forschung zu Schwarzen Löchern

Die folgenden beschreibenden Fakten, an die wir uns zunächst, ohne die komplizierten, dahinterstehenden Mechanismen zu berücksichtigen, halten werden, können als allgemeiner Konsens beim heutigen Stand der Forschung angesehen werden:

 

  • Praktisch alle Galaxien enthalten in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch von einigen Millionen bis zu einigen Milliarden Sonnenmassen.

 

Die Entwicklung beider verläuft über große Strecken und Zeiträume simultan.

Während dieser gemeinsamen Entwicklung existieren zahlreiche Möglichkeiten gegenseitiger Beeinflussung, die zu ganz verschiedenen Ergebnissen führen können (wir diskutieren einige hiervon weiter unten).

  • Die zentralen Schwarzen Löcher sitzen im Zentrum des bulge einer Galaxie. Unter bulge versteht man die zentrale, sternreiche Vorwölbung oder Ausbuchtung einer Spiralgalaxie. Die Entwicklung von bulge und Schwarzem Loch sind miteinander verknüpft und stehen in einer festen Beziehung zueinander.

 

  • Die Quellen für die Materie-Akkretion von Galaxie und Schwarzem Loch sind dieselben – nämlich der riesige Halo und die baryonischen Gasmassen.

 

  • Schwarze Löcher bilden enorme Akkretionsscheiben, die sie mit Gas füttern.

 

Das in das Schwarze Loch stürzende Gas wird extrem – auf einige hundert Millionen Grad – erhitzt und glüht im Röntgenbereich. Es kann so mit Röntgenteleskopen (wie Chandra oder XMM Newton) entdeckt und verfolgt werden.

 

  • Durch die enorme Erhitzung werden ungeheure Energiemengen abgestrahlt, deren thermischer Druck die weitere Sternentstehung in der Galaxie buchstäblich ausblasen kann.

 

  • Vor allem bei der Entstehung von sogenannten supermassiven Schwarzen Löchern (engl.: super massive black holes, SMB’s) im Zentrum von Galaxien mit Massen von einigen hundert Millionen bis zu Milliarden Sonnenmassen sind im Gegensatz zur Bildung von Spiralgalaxien meistens Kollisionen und Verschmelzungen (mergers) von Galaxien beteiligt, in deren Verlauf nach einigen hundert Millionen Jahren auch ihre Schwarzen Löcher verschmelzen.

 

  • Bei entsprechender Dichte von Dunkler und sichtbarer Materie kann es auch zu Verschmelzungen ganzer Halos kommen, die dann Dutzende oder Hunderte von Galaxien enthalten – die heutigen Galaxienhaufen (engl.: galaxy clusters).
  • Galaxien-Verschmelzungen innerhalb von Halos führen dazu, dass sich die Galaxienscheiben in bulges verwandeln.

 

  • Massive Schwarze Löcher kontrollieren die Entwicklung praktisch jeder größeren Galaxie.

 

 

Die obigen Punkte stellen ein Gerüst für die Entstehung und Entwicklung von Schwarzen Löchern und ihren Muttergalaxien dar.

Gleichzeitigkeit der Entstehung von Sternen und Schwarzer Löcher in Galaxien

Bei der Verschmelzung von Galaxien im jungen Universum fällt Gas in großer Menge in das Zentrum, sofern die neue Riesengalaxie noch Materie akkretiert. Dort kommt es dann zu einer Welle von Sternentstehungen. Gleichzeitig wird mit diesem Gas das Schwarze Loch gefüttert, welches dadurch in eine schnelle Wachstumsphase eintritt. Dabei strahlt das Schwarze Loch, abhängig von der Stärke des Gaseinfalls, enorme Energiemengen ab. Diese Energie führt zu starken, wahrscheinlich sphärischen Winden, die nach außen strömen. Dabei kann es zu zwei Szenarien kommen. Entweder komprimieren die starken Winde das einfallende Gas, was eine Zunahme der Sternbildung zur Folge hat. Oder die turbulenten Winde, die auch zu einer Jetbildung an den Polen des Schwarzen Lochs führen, blasen zusammen mit ihnen das verbleibende Gas einfach in den Raum. Das führt zu einem Wachstumsabbruch von sowohl der Sternentstehung als auch des Schwarzen  Loches.

Unter bestimmten Bedingungen können Schwarze Löcher zusammen mit Galaxien aus demselben Gasreservoir des Dunklen- Materie-Halos und baryonischem kalten Gas entstehen. Dabei ist die Frage, was kam zuerst, die Galaxie oder das Schwarze Loch, nach wie vor heiß diskutiert. Wir haben es hier mit einer anderen Art von Schwarzen Löchern zu tun als jene, die auf kollabierende, massereiche Sterne (und Supernovae) zurückgehen. Der Hauptunterschied sind die Massen, wie oben bereits dargestellt.

Bildung supermassiver Schwarzer Löcher durch Kollision und Verschmelzung von Galaxien im jungen Universum

Es scheint inzwischen auch ziemlich klar, dass die Bildung der supermassiven Schwarzen Löcher auf eine Verschmelzung von gasreichen Galaxien zurückgehen muss. Ihre extremen Entfernungen zeigen, dass supermassive Schwarze Löcher sich in Galaxien vergleichsweise früh im Universum gebildet haben. Das macht Sinn, wenn man bedenkt, dass im jungen Universum, dessen Größe entsprechend geringer war, die Galaxien sowie auch die gasreichen Halos viel näher beieinander lagen und daher Kollisionen und Verschmelzungen relativ häufig vorkommen mussten. Der Max- Planck-Forscher Volker Springel  hat dies mit der Millenium- Simulation, dem Vorläufer der Bolshoi-Simulation,  untersucht. Dabei ergab sich, dass bei einer solchen Verschmelzung zweier Galaxien die Masse des aus beiden neu entstandenen riesigen Schwarzen Lochs in einem Zeitraum von zirka zweihundert Millionen Jahren um das Zehn- bis Hundertfache zunehmen kann. Nur so erscheint es plausibel, dass innerhalb – im Vergleich mit dem Alter des Universums heute– ziemlich kurzer Zeit ein Schwarzes Loch mit Milliarden Sonnenmassen entstehen kann.

Der Zustand der Materie im Inneren ist ein absolutes Rätsel. Unsere einzige Hoffnung, Licht in dieses im buchstäblichsten Sinne Dunkel zu bringen, ist die Entwicklung einer Theorie  der Quantengravitation.

Schwarze Löcher sind unsichtbar, nicht aber ihre unmittelbare Umgebung

Es ist unmöglich – mit welchen Teleskopen auch immer – Schwarze Löcher direkt zu beobachten, da selbst Licht und jede andere elektromagnetische Strahlung ihrer Gravitation nicht entkommen kann, sondern im  Ereignishorizont festgehalten wird. Alle Beobachtungen um Schwarze Löcher herum, wie die Aussendung von Gamma- und Röntgenstrahlen sowie gewaltiger Jets, die wir besprochen haben, erfolgen außerhalb des Ereignishorizonts, ausgelöst durch hineinspiralisierende Materie. Das Schwarze Loch selbst bleibt uns verborgen.

Einen sensationellen Fortschritt allerdings gab es im April 2017: 8 zusammen geschaltete Radioteleskope (Event Horizon Telescope) machten ein Bild von der unmittelbaren Umgebung eines schwarzen Loches, dessen Auswertung mehrere Monate dauerte. Die Veröffentlichung war eine Sensation und bestätigte die vorangegangenen Simulationen auf beeindruckende Weise. Die Einzelheiten hierzu kennen wir, sie finden sich in meinem speziellen blogpost vom 13 April 2019: https://cosmoblog.space/astronomische-weltsensation-jenseits-von-einstein-die-fotografie-eines-schwarzen-lochs/.

Mechanismus der Imagebildung der direkten Umgebung eines Schwarzen Lochs: die Gravitationslinse

Wenn eine Akkretionsscheibe aus Gas und Staub das Schwarze Loch umgibt, sollte nach auf der Allgemeinen Relativitätstheorie beruhenden Simulationen der Ereignishorizont als dunkle Silhouette erscheinen, umgeben von dem heißen, Licht aussendenden Material der Akkretionsscheibe. Der Hauptgrund hierfür ist der von uns aus gesehen »hintere« Teil des Ereignishorizonts. Zwar blockiert das von uns aus »davor« liegende Schwarze Loch den (Radio-)Blick auf die heiße, helle Strahlung aus dieser Richtung. Das Schwarze Loch selbst ist jedoch eine gewaltige Gravitationslinse (Einsteinlinse), die das Licht um das Schwarze Loch »herumbiegt«, sodass man es wieder sehen kann, und zwar als dunkleres Zentrum (Sihouette). Aus der Lage und Form der dunkleren Silhouette würden sich Schlüsse auf die Rotation und andere Eigenschaften des Schwarzen Lochs ziehen lassen. Genau das wurde 1:1 gefunden.

Fernwirkung Schwarzer Löcher im Kosmos

Damit stehen wir am Anfang völlig neuer Methoden zur Erforschung von Schwarzen Löchern. Unbestritten bleibt der enorme Einfluss durch sie auf Geschichte und Gestalt des Kosmos. Die vielfältigen Interventionsmöglichkeiten von Schwarzen Löchern durch ihre enorme Gravitation, die heißen, mit einem deutlichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit in den Raum strömenden Winde, die wie Geschosse den Weltraum durchquerenden Jets, zeigen den weit – Hunderte bis Tausende von Lichtjahren reichenden – über ihre lokale Position hinausgehenden Einfluss dieser faszinierenden, magischen Gebilde bei der Gestaltung unseres Universums. »Ohne Schwarze Löcher wäre das uns umgebende Universum nicht erkennbar, und wir würden möglicherweise nicht existieren.« (Christopher Wanjek).

Im nächsten und abschliessenden blogpost zu diesem Thema werden wir uns auch auf eine (virtuelle) Reise zu einem Schwarzen Loch begeben.

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

 Beitragsbild: Schwarzes Loch. Credit: Lexikon der Astronomie; Spektrum.de

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

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