Das ultimative Phänomen im Kosmos:  Schwarze Löcher, Teil 3

           Das ultimative Phänomen im Kosmos:  Schwarze Löcher, Teil 3

 

Im Verlauf dieses blogs haben wir uns mit der Entstehung von Gravitationswellen u.a. durch die Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern (https://cosmoblog.space/gravitationswellen/) bzw. von zwei Neutronensternen (https://cosmoblog.space/gravitationswellen-teil-3-die-verschmelzung-zweier-neutronensterne/) oder auch von einem schwarzen Loch mit einem Neutronenstern befasst. All dies sind gewaltige Vorgänge, die in Millisekunden Energien in der Grössenordnung von vielen Sonnenmassen in der Form von Gravitationswellen freisetzen. Daraus konnten und können auch zukünftig wertvolle Erkenntnisse über die Natur der kollidierenden Körper, insbesondere der schwarzen Löcher gewonnen werden.

Die Verschmelzung schwarzer Löcher mit einem überraschenden Ergebnis

Eine ganz besondere Kollision zweier schwarzer Löcher wurde vom amerikanischen LIGO- und dem europäischen Virgo-Observatorium am 21. Mai 2019 registriert (GW 190521). Die Besonderheit: diese beiden schwarzen Löcher hätte es garnicht geben dürfen! Ihre Grösse betrug 85 und 66 Sonnenmassen. Ihre Verschmelzung setzte eine Energie von 8 Sonnenmassen frei, die als Gravitationsstrahlen abgestrahlt wurden. Dies führte zu einem neuen, finalen schwarzen Loch von 142 Sonnenmassen. Es entstand vor ca. 10 Milliarden Jahren. Die mit Lichtgeschwindigkeit sich ausbreitende Gravitationsstrahlung erreichte uns nach dieser Zeit – und wurde für 13 Millisekunden wahrgenommen. Es war die grösste, bisher beobachtete Massenverschmelzung zweier schwarzer Löcher, die wegen der Expansion des Universums jetzt 17 Milliarden Lichtjahre entfernt ist.

Das entstandene, neue schwarze Loch von 142 Sonnenmassen ist deshalb so sensationell, weil es einer sog. intermediären Kategorie angehört, von der man bisher glaubte, dass sie nicht existieren kann. Die über Supernovae entstehenden stellaren schwarzen Löcher liegen generell unter 100 Sonnenmassen. Die supermassiven schwarzen Löcher beginnen bei ca. 100 000 Sonnemassen und können auch Millionen und Milliarden davon erreichen. Dazwischen, so glaubte man, gibt es keine schwarzen Löcher. Die bisher über Gravitationswellen entdeckten verschmolzenen schwarzen Löcher lagen vor ihrer Verschmelzung zu 99% unter 43 Sonnenmassen. Die hier besprochene Verschmelzung ist die bisher einzige von intermediären schwarzen Löchern (mit 66 bzw. 85 Sonnenmassen) und gleichzeitig die massivste, die je gemessen wurde. Das Ergebnis eines schwarzen Lochs von 142 Sonnenmassen ist das absolut erste gefundene intermediäre schwarze Loch. Die beiden intermediären schwarzen Löcher, die dazu führten, wurden ja über das Verschmelzungsergebnis abgeleitet, aber nicht selbst gefunden.

Das Problem intermediärer schwarzer Löcher

Gut, wir wissen jetzt, dass es intermediäre schwarze Löcher gibt. Der Leser wird hier mit Recht fragen: “na und“? Die (bisherige) Antwort lautet: intermediäre schwarze Löcher sind verboten. Der Grund hierfür ist (gekürzt dargestellt) folgender. Massive Sterne enden als Supernova und lassen je nach ihrer verbliebenen Masse einen Neutronenstern oder ein schwarzes Loch zurück. Dies bedeutet aber nicht, dass bis zu einer spezifischen Masse Neutronensterne und darüber hinaus mit steigender Restmasse immer grössere schwarze Löcher entstehen. Es gibt eine Grenze jenseits derer das Innere des Reststerns so heiss wird, dass die Photonen, die den Strahlungsdruck nach aussen erzeugen und so die enorme Gravitation der Masse kompensieren, in Materie/Antimaterie Paare zerfallen, nämlich in Elektronen/Positronen Paare. Diese vernichten sich sofort gegenseitig. In einer Kettenreaktion führt dies dazu, dass die ungeheure Gravitation die Oberhand gewinnt und eine neue gewaltige Supernova entsteht. Diese zerreisst den riesigen Zentralstern vollkommen, ohne dass irgendein Rest zurückbleibt. Die Temperatur, bei der dieses Szenarium beginnt, liegt etwa bei 3 Milliarden Kelvin.

Folge: Damit wäre die Entstehung von schwarzen Löchern in einem intermediären Massenbereich nicht möglich. Alle drei schwarzen Löcher der besprochenen Verschmelzung (GW 190521) liegen in diesem Massenbereich. Nur gilt dieses Theorem jetzt nicht mehr, da die intermediären schwarzen Löcher sich nicht an das Existenzverbot halten. Eine Reihe möglicher Erklärungen hierfür gibt es inzwischen. Da keine davon bisher überzeugt, gehe ich hier nicht weiter darauf ein.

Die physische Beschreibung schwarzer Löcher: mehr Fragen als Antworten

Wir haben uns bisher vorwiegend mit der Entstehung von schwarzen Löchern, ihrem Aufbau und ihrem Einfluss auf den umgebenden Kosmos beschäftigt. Was bisher fehlt, ist ihre direkte Beschreibung. Wie sieht es aus, woraus besteht es, hat es einen „Lebenszyklus“ oder ist die Materie aus der es ursprünglich entstand, dem Kosmos für immer entzogen? Leider müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem Schwarzen Loch vollkommen versagt, wenn man beschreiben sollte, woraus es besteht oder wie es aussieht. Bekanntlich werden wir es direkt nie sehen, da Licht es nicht verlassen kann. Es besitzt keine Oberfläche. Was dann? Es scheint höchst unwahrscheinlich, dass es aus irgendwelcher Materie besteht. Woraus dann? Ist es »nur« extremst gekrümmte Raumzeit? Pure Energie? Wir wissen es nicht. Was wir aber paradoxerweise wissen: Es besitzt eine endliche Ausdehnung, die bei supermassiven Schwarzen Löchern mit Milliarden Sonnenmassen zu Durch- messern von mehreren Dutzend Milliarden Kilometer führen kann. Wahrlich ein alle Vorstellungen sprengendes exotisches Objekt.

Natürlich ist es aus normaler (baryonischer) Materie entstanden – oder ist auch Dunkle Materie dabei?. Und was hat die unvorstellbare Gravitation bei der Entstehung  mit dieser Materie gemacht? Einen Hinweis, was mit baryonischer Materie unter extremen Gravitationsdrucken passiert, können uns neueste Überlegungen zu schweren Neutronensternen geben. Mit diesen hat sich unser blog vor einiger Zeit bereits beschäftigt (https://cosmoblog.space/gravitationswellen-teil-4-was-genau-sind-neutronensterne/). Wir erinnern uns: Neutronensterne sind das 1. Endprodukt einer Supernova. Sie können unter dieser Bedingung bis zu einer bestimmmten Massengrenze entstehen. Bei noch höherer Masse führt die enorme Gravitation dann zu einem Zusammensturz zu einem schwarzen Loch. Neutronensterne sind dadurch charakterisiert, dass durch den entstehenden Megadruck die Elektronen mit den Protonen in den Atomkernen  verschmelzen. Es entsteht sozusagen ein gigantischer Atomkern, der nur noch aus Neutronen besteht. Diese sind extrem dicht gepackt. Damit ist die ursprüngliche Struktur des Atoms zusammengebrochen. Die Dichte dieser neuen Materie gleicht der eines Atomkerns. Es ist ein Neutronenstern entstanden.

Neueste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zerstörung der baryonischen Materie in den schwersten Neutronensternen noch weiter gehen könnte. Durch den kontinuierlich zunehmenden Druck gekoppelt mit enorm hohen Temperaturen könnten die Atomkerne in ihre Bestandteile zerfallen, in freie Quarks und Gluonen. Das hiesse nichts anderes als dass Bedingungen wie am Anfang des Urknalls herrschen: es entsteht ein Quark-Gluonen Plasma. Dies ist noch nicht bewiesen, aber nach ersten Hinweisen nicht unwahrscheinlich.

Zurück zu den schwarzen Löchern. Ihre Dichte und Gravitation ist noch viel gewaltiger als bei den schwersten Neutronensternen. Wie geht es weiter mit dem Zerfall der Materie? Wir wissen es nicht, können es nicht einmal erahnen oder auch nur spekulieren. Hoffnung gibt nur die Entwicklung einer schlüssigen Theorie der Quantengravitation. Es bleibt super spannend.

Schwarze Löcher besitzen Entropie und strahlen daher

Lange galt es als gesicherte Erkenntnis, dass absolut nichts einem Schwarzen Loch entfliehen kann, wenn es einmal den Ereignishorizont passiert hat. Ein Schwarzes Loch kann wachsen, wenn es aus seiner Umgebung Materie – wie zu nahe gekommene Sterne – schluckt. Dann nimmt seine Masse zu, ebenfalls seine Größe und auch die Größe des Ereignishorizonts. Da nichts dem Schwarzen Loch entkommen kann, kann es aber nie kleiner werden. Diese Erkenntnis fasste Stephen Hawking 1970 in dem sogenannten zweiten Hauptsatz der Dynamik des Schwarzen Lochs zusammen: »Die Fläche des Ereignishorizonts kann entweder gleich bleiben oder zunehmen, aber niemals abnehmen«.

Diese Aussage erinnert jeden Physiker an den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der sich mit Entropie beschäftigt. Unter Entropie versteht man den Grad der »Unordnung« eines Systems. Auftritt Jacob Bekenstein, Doktorand an der Princeton Universität. Er behauptet, dass Entropie nicht zerstört werden kann, selbst wenn man sie in einem Schwarzen Loch versenkt. Dieses besitzt nämlich selbst eine Entropie, die dann nur vergrößert wird. Er zeigt, dass die beiden zweiten Hauptsätze sehr viel miteinander zu tun haben: Die Fläche des Ereignishorizontes eines Schwarzen Lochs verhält sich nicht nur wie Entropie, sie ist identisch mit der Entropie des Schwarzen Loches. Damit ist ein Damm gebrochen! Denn in die Berechnung der Entropie geht auch die Temperatur ein. Ein System, das Entropie besitzt, hat auch eine Temperatur. Wenn es Temperatur hat, muss es Energie abstrahlen, das muss dann auch für schwarze Löcher gelten. Ein System, das Energie abstrahlt, verliert Masse (E = mc^2!). Ein diametraler Widerspruch zu Hawkings zweitem Hauptsatz. Nach Bekenstein kann, ja sogar muss ein Schwarzes Loch durch diese Strahlung kleiner werden, was dann auch für den Ereignishorizont gilt.

Hawking hielt diese Theorie für absolut falsch und bekämpfte sie. Es folgten Publikationen und Gegenpublikationen, bis Hawking schlussendlich einsah, dass er sich geirrt hatte. Er konnte 1973 berechnen, dass Schwarze Löcher tatsächlich einen ständigen Fluss von Partikeln emittieren, und er fand schließlich auch den Mechanismus, nach dem dies passiert.

Mechanismus der Strahlung schwarzer Löcher nach Stephen Hawking

Wir erinnern uns, dass überall im Universum unaufhörlich virtuelle Teilchen / Antiteilchen Paare produziert werden, die sich nach einem unmessbaren Bruchteil einer Sekunde unter Aussendung von Gammastrahlen wieder vernichten. Dies passiert auch im Vakuum. Und es passiert ebenso am Rande des Ereignishorizonts von Schwarzen Löchern. Die Energiebilanz der Paarbildung und Vernichtung ist immer null. Man kann es auch so sehen, dass ein Teilchen eine positive, das andere eine negative Energie besitzt. Am Rande des Ereignishorizonts herrscht ein unvorstellbar starkes Gravitationsfeld. Das kann dazu führen, dass ein Teilchen in das Schwarze Loch gezogen wird, bevor sich beide annullieren können. Das zweite Teilchen muss nicht, aber kann entweichen – und wird damit zu einem reellen Teilchen. Das in das schwarze Loch stürzende Teilchen hat dann eine negative Energie. Das bedeutet, dass das schwarze Loch Energie verliert und damit auch Masse. Das reelle Teilchen mit positiver Energie wird von einem außenstehenden Beobachter als emittierte Strahlung wahrgenommen, die aus dem Schwarzen Loch zu kommen scheint. Tatsächlich kommt sie jedoch von außerhalb des Ereignishorizonts. Es entweicht also tatsächlich nichts aus dem Schwarzen Loch, sondern es wird diesem ein Teilchen zugeführt, allerdings mit negativer Energie, was zu einem Energieverlust des schwarzen Lochs führen muss. Die außerhalb des Schwarzen Lochs beobachtete Strahlung wird als Hawking-Strahlung bezeichnet (vielleicht wäre Hawking-Bekenstein-Strahlung der adäquatere Begriff).

Wir werden im nächsten blogpost sehen, dass Hawking’s obige Erklärung ein weiteres Mal revidiert werden musste. Dies betrifft den Mechanismus der Strahlenentstehung, jedoch nicht die Tatsache des Massenverlustes aller schwarzen Löcher. Der nächste blogpost wird dann auch die eigentlich für diesen versprochenen virtuelle Reise zu einem schwarzen Loch beschreiben.

 

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

 Beitragsbild: Verschmelzende schwarze Löcher. Credit: ARD Mediathek

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

 

 

 

 

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