Gravitationswellen Teil 4: Was genau sind Neutronensterne?

Gravitationswellen Teil 4: Was genau sind Neutronensterne?

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Im letzten Teil der Gravitationswellen Saga möchte ich etwas detaillierter auf Neutronensterne eingehen, ihre Entstehung, Eigenschaften und ihre Physik. Was haben sie und warum gerade sie mit Gravitationswellen zu tun?

Die Voraussetzung für ihre Existenz ist ihre Masse als „normaler“ Stern. Nur aus Sternen mit einer Mindestmasse von 1,4 Sonnenmassen können am Ende ihrer Entwicklung Neutronensterne entstehen. Die uns geläufige Entwicklung von sonnengleichen Sternen verläuft, wie in Teil 3 kurz beschrieben, über ca. 10 Milliarden Jahre über die Kernfusion („Verbrennung“) von leichten zu nächst höheren Elementen wie in einem Zwiebelschalenmodell von Wasserstoff bis zum Eisen. Wenn diese Kernfusion aufhört, entfällt der enorme Strahlungsdruck, der der nicht minder enormen Gravitation ihrer Masse entgegenwirkt und die Gestalt der Sonne stabil hält. Der Kern zieht sich unter enormer Temperaturerhöhung unter der eigenen Gravitation zusammen während die äussere Hülle um ein Vielfaches aufgebläht wird, was die Sonne zu einem sog. Roten Riesen macht. Diese Kontraktion und Temperaturerhöhung erfolgt nach jedem bzw. vor jedem neuen Fusionszyklus, wobei der Kern immer dichter und die äusseren Schichten immer stärker aufgebläht werden. In unserem Sonnensystem wird es deshalb dazu kommen, dass die gesamte Erdbahn eines fernen Tages innerhalb der Sonne liegt. Der Kern hingegen hat der gewaltigen Eigengravitation nichts entgegen zu setzen und kollabiert zu einem sog. Weissen Zwerg.

Weiße Zwerge haben typischerweise zirka eine Sonnenmasse. Ihre Größe ist durch die extreme Kontraktion jedoch nur etwa derjenigen der Erde vergleichbar. Das heißt, der Durchmesser der Sonne ist von 1,4 Millionen Kilometer auf zirka 12.700 Kilometer geschrumpft. Das bedeutet, dass Weiße Zwerge eine ungeheure Dichte haben müssen: Ein Kubikzentimeter ihrer Materie wiegt eine Tonne. Obwohl kein Strahlungsdruck mehr vorhanden ist, der einen weiteren Zusammensturz des Weißen Zwergs unter seiner Gravitation kompensieren könnte, sind Weiße Zwerge sehr stabil. Sie verändern sich nicht mehr und durchlaufen im Zuge weiterer Milliarden von Jahren eine sehr langsame Abkühlung über das Stadium des Roten Zwergs bis zum erkalteten Schwarzen Zwerg bei gleicher extremer Dichte.

Der Grund für diese Stabilität ist ein quantenmechanischer. Aufgrund der extremen Dichte und der damit einhergehenden extremen Temperaturen sind alle Atome der Weißen Zwergmaterie so gut wie vollständig ionisiert, und die Elektronen sind frei und bilden ein »Elektronengas«. Dieses ist nicht beliebig komprimierbar, sondern setzt weiterer Kompression durch Gravitation einen starken Widerstand entgegen (sog. Pauli-Ausschließungsprinzip)*. Dies führt zu einem der Gravitation entgegengerichteten Druck, so wie auch die Erhitzung eines Gases durch die dadurch zunehmende kinetische Energie der Gasmoleküle zu einer Druckerhöhung führt. Der durch das Elektronengas ausgeübte Druck wird als »Entartungsdruck« bezeichnet.

 

Bei der Berechnung des Entartungsdrucks von Sternen, die eine größere Masse als 1,4 Sonnenmassen besitzen, müssen relativistische Korrekturen vorgenommen werden*. Dies erkannt zu haben ist das Verdienst des indischen Physikers Subramaniam Chandrasekhar (1931), der dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Auf seine Berechnungen von Weißen Zwergen geht die Zahl von 1,4 Sonnenmassen zurück, oberhalb derer keine Weißen Zwerge existieren können. Sie wird daher als Chandrasekhar- Grenze bezeichnet. Aber auch jetzt stürzt der mehr als 1,4 Sonnenmassen schwere Stern noch nicht zu einem Schwarzen Loch zusammen. Es gibt eine weitere stabile Zwischenstufe und das sind nun unsere Neutronensterne.

Massereiche Sterne (> 1,4 Sonnenmassen) sind tatsächlich auf Grund ihrer ungeheuren Eigengravitation in der Lage, den Entartungsdruck des Elektronengases zu überwinden und über den Zustand eines Weißen Zwerges hinaus weiter zusammenzustürzen und eine deutlich größere Kompression und Dichte als dieser zu erreichen. Allerdings bedarf es dazu einer neuen Initialzündung unvorstellbarer Energie–einer Supernova*. Der Gravitationsdruck reicht aus, die Elektronen mit den Protonen in den Atomkernen zu verschmelzen. Es entsteht sozusagen ein gigantischer Atomkern, der nur noch aus Neutronen besteht. Diese sind extrem dicht gepackt. Damit ist die ursprüngliche Struktur des Atoms zusammengebrochen. Die Dichte dieser neuen Materie gleicht der eines Atomkerns. Es ist ein Neutronenstern entstanden. Auch Neutronensterne sind wie Weisse Zwerge extrem stabil, weil auch Neutronen einen Entartungsdruck ausüben, der im fraglichen Stern nicht mehr überwunden werden kann.

Praktisch alle Sterne besitzen einen Eigendrehimpuks, drehen sich also um sich selbst. Auch Neutronensterne sind keine Ausnahme. Im Gegenteil. Bei ihrer Entstehung erhöht sich der Drehimpuls auf Grund der extremen Kontraktion von einem Durchmesser von Millionen Kilometern bis zu typischerweise einem von 20 km. Das führt z.T. zu sehr schnellen Rotationen. Dies ist dem Satz von der Erhaltung des Drehimpulses geschuldet. Mit der Rotationsgeschwindigkeit nimmt auch das Magnetfeld um viele Grössenordnungen zu. Geladene Teilchen auf der Sternoberfläche -primär Positronen und Elektronen – werden in dem enormen Magnetfeld fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und „wandern“ entlang der Feldlinien zu den Polen, wo sie als scharf gebündelte sog. Synchrotronstrahlung abgestrahlt werden. Es ist ein sog. Pulsar entstanden.

*Eine detaillierte Beschreibung dieser Vorgänge findet sich in meinem im Subskript genannten Buch „Cosmoblog“

 

Da seine Rotationsachse mit der Achse des Magnetfeldes einen Winkel bildet, entsteht ein Leuchtturmeffekt: Die elektromagnetische Energie wird fächerartig von den zwei gegenüberliegenden Polen im Rhythmus der Rotation abgestrahlt und überstreicht damit größere Flächen. Sind die Strahlen in Richtung auf die Erde gerichtet, können wir sie wahrnehmen und messen. Sie werden über einen grossen Teil des elektromagnetischen Spektrums –  vom Gamma- bis in den Radiobereich – ausgesandt. Die Radiostrahlung ist besonders stark und auch der Namensgeber für “Pulsar”: pulsating source of radio emission (pulsierende Radio Quelle).

 

Es gibt binäre Systeme auch von Neutronensternen, bei denen ein ursprünglich langsam rotierender Neutronenstern Materie von seinem Begleiter absaugt. Die dadurch bewirkte Massenzunahme führt zu einer enormen Zunahme der Rotationsgeschwindigkeit, die im Millisekunden Bereich liegen kann. Derart hohe Rotationsgeschwindigkeiten müssen nach Einstein’s Allgemeiner Relativitätstheorie zur Abstrahlung von Gravitationswellen führen – hier haben wir die erste Verbindung von Neutronensternen und Gravitationswellen! Allerdings ist bisher hier kein Nachweis möglich, da die Signale zu schwach sind.

Anders sieht es in Systemen von Doppepulsaren aus, die sich über Millionen von Jahren einander langsam annähern.

Ein solches binäres System von nicht allzu weit voneinander entfernten Doppelpulsaren müsste stärkere Gravitationswellen abstrahlen. Bisher wurden zwei solcher Systeme entdeckt. Hulse und Taylor entdeckten 1974 das erste System und erhielten hierfür den Nobelpreis. In der Tat wurde bei diesen Systemen eine ständige Annäherung beider Pulsare gemessen, die nur mit einer Abstrahlung von Gravitationswellen erklärbar ist. Das bedeutet andersherum gesehen, dass hier ein erster indirekter Beweis fü die Existenz von Gravitationswellen und damit für die Richtigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie vorliegt. Seinerzeit konnten Gravitationswellen natürlich noch nicht direkt gemessen werden. Den direkten Beweis haben wir heute mit dem Ereignis vom 17. August 2017, nämlich der Kollision bzw. völligen Verschmelzung zweier Neutronensterne. (vgl. Teil 3 des Blogs). Weitere werden folgen.  Allerdings nicht sofort, denn am 25. August 2017 wurden die LIGO-Detektoren zur Durchführung weiterer Verbesserungen für längere Zeit abgeschaltet. Dies beendet -zumindest vorerst- das Ende der Erörterung und Beschreibung von Gravitationswellen. Mein Blog wird sich in naher Zukunft mit einem anderen -natürlich kosmologischen- Thema-befassen

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild:Künstlerische Illustration zweier verschmelzender Neutronensterne. Credit: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

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