Dunkle Energie, Teil 3: Verhalten, mögliche Identität, gegenwärtige und zukünftige Beobachtungsprogramme

Dunkle Energie, Teil 3: Verhalten, mögliche Identität, gegenwärtige und zukünftige Beobachtungsprogramme

 

 

In den ersten beiden Teilen zu diesem Thema (vgl https://cosmoblog.space/dunkle energie teil1) ( bzw. /teil 2 )  haben wir die Dunkle Energie als extrem schwache Kraft kennen gelernt, die das Universum an jedem beliebigen Punkt mit gleicher Stärke ausfüllt. Sie wird als eine innere Eigenschaft der Raumzeit angesehen, die zusammen mit ihr überall und zu jedem Zeitpunkt neu entsteht. Dies geschieht im kleinstmöglichen Massstab, dem Quantenbereich, auch als Planckbereich bezeichnet. Diese Vorgänge können daher in diesem Stadium nur mit quantenphysikalischen Methoden beschrieben werden. Insofern ist auch das anschauliche Bild erlaubt, dass die Neuschaffung von Raum und Zeit durch Raumatome und Zeitatome erfolgt. Diese bringen die Dunkle Energie als innere Eigenschaft mit und wachsen über Äonen zu den makroskopischen Strukturen, die wir beobachten.

Dunkle Energie von Anfang an, bewirkt zunächst nur gebremste Ausdehnung

Dadurch  dehnt sich der Raum kontinuierlich weiter aus und zwar von jedem Punkt aus und alle Strukturen (Galaxien, Galaxienhaufen, Sterne) entfernen  sich in messbarer Weise voneinander. Dies ist die Expansion des Weltraums, die wir seit den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts gelernt haben zu beobachten und zu messen. Wie wir gesehen haben, war dies nicht immer so. In der ca. ersten Hälfte der Existenz des Kosmos (also den ersten ca. 7 Milliarden Jahren) hat auf Grund der grösseren Dichte (Nähe) der Materie die Gravitation die Oberhand gehabt. Wäre es anders gewesen, hätten sich keinerlei Strukturen im Universum bilden können: es gäbe keine Galaxien, Galaxienhaufen, Sterne, Planeten und kein Leben.

Die dunkle Enerige war natürlich ebenso von Anfang an existent, konnte aber wegen der grösseren Stärke der Gravitation nur einen geringeren Einfluss ausüben, was im Gegensatz zu heute zu einer „gebremsten“ Ausdehnung des Universums führte. Die Verhältnisse drehten sich erst (nach ca. 7 Milliarden Jahren) um als die Gravitation eben durch die gebremste Expansion so schwach geworden war (sie nimmt nach Newton ja mit dem Quadrat der Entfernung  zwischen den Körpern ab), dass von da an die –eigentlich extrem schwache- Kraft der Dunklen Energie überwog. Sie ist also per definitionem eine antigravitative Kraft.

Starke Parallelen zwischen Dunkler Energie und Einstein’s kosmologischer Konstante

Die Ausdehnung des Universums nahm zu. Allerdings glaubte die Wissenschaft Jahrzehnte lang, bis zu der epochalen Entdeckung der beschleunigten Ausdehnung ( 1998; vgl. Teil 1), dass sie mt konstanter Geschwindigkeit erfolgt.

Die Ausdehnung wird getrieben von der Dunklen Energie. So weit unser bisheriger Kenntnisstand. Was Dunkle Energie aber tatsächlich ist, entzieht sich bisher total unserer Kenntnis, geschweige denn Erkenntnis. Ein Kandidat könnte Einstein‘s berühmte kosmologische Konstante, Ʌ (Lambda) sein, wie wir am Ende von Teil 2 (https:\\cosmoblog.space/dunkle energie teil2) besprochen haben. Warum dies so ist, wollen wir uns jetzt ansehen.

Wie der Name schon impliziert, ändert sich Einstein’s  kosmologische Konstante weder mit der Zeit noch mit dem expandierenden Raum. Wie bereits erwähnt, bleibt ihre Dichte immer gleich. Jedes gegebene Volumen im Universum enthält einen bestimmten intrinsischen Betrag an Energie. Diese Energie ist damit – wie erwähnt – eine unveränderliche Eigenschaft der Raumzeit selbst. Die von Einstein ursprünglich postulierte kosmologische Konstante entspricht in ihren Eigenschaften der Energie des Vakuums und ist praktisch mit ihr identisch. Die einfachste und eleganteste Lösung für die Dunkle Energie wäre also, sie mit der Energie des Vakuums gleichzusetzen. Die Vakuumenergie kann –aufgrund der Heisenberg’schen Unschärferelation – nicht Null sein. Sie fluktuiert um den Nullwert.Tatsächlich entstehen immer und überall –d.h. im materiegefüllten Raum wie im Vakuum – virtuelle Partikel, die sich im Bruchteil einer trillionstel Sekunde wieder gegenseitig vernichten. Das bekannteste Beispiel ist die paarweise Erzeugung von Elektronen und Positronen, die sich unter Entstehung von Gammastrahlung sofort wieder vernichten. Dies kann experimentell z.B.mit dem sog. Casimir-Effekt demonstriert werden. Hierbei erfahren 2 ungeladene Metallplatten im Vakuum eine messbare Kraft zwischen ihnen. Diese Vorgänge erzeugen zusammen die allgegenwärtige Vakuumenergie.

Daneben ist das Vakuum von Feldern (wie dem Higgsfeld) durchzogen. Das Quantenvakuum brodelt! Man kann es sich als die Energie vorstellen, die übrig bleibt, wenn man alles »Materielle« aus dem Raum entfernt. Das führt, nebenbei bemerkt, zu einer erstaunlichen Aussage der Quantentheorie: Nichts gibt es nicht!

Dunkle Energie = Vakuumenergie bewirkt negative Raumkrümmung

Die Dunkle Energie erfüllt nach diesem Modell das Vakuum homogen und gleichmäßig überall im Kosmos. Materie und Energie krümmen gleichermassen entsprechend der Allgemeinen Relativitätstheorie den Raum um sie herum. Nach der berühmten Einsteinformel E = mc2 besteht diesbezüglich kein Unterschied zwischen ihnen. Die Vakuumenergie muss sich demnach entsprechend verhalten. Das tut sie auch – mit einem Unterschied:  während die Materie-induzierte Raumkrümmung positiv ist und als Gravitation wahrgenommen wird, führt die Vakuumenergie zu einer “negativen” Raumkrümmung und damit zu einem antigravitativen, also abstossenden Effekt, der die Expansion des Universums treibt.    Weil dabei überall neuer Raum (genauer: neue Raumzeit) geschaffen wird und die Dunkle Energie als intrinsische Eigenschaft der Raumzeit angesehen wird, entsteht gleichzeitig auch überall mehr Vakuumenergie. Dies scheint dem in der Physik unumstösslichen Energieerhaltungssatz zu widersprechen, der postuliert: : Energie kann in einem geschlossenen System weder erzeugt noch vernichtet werden. Lediglich verschiedene Energieformen können ineinander umgewandelt werden. Die Gesamtenergie bleibt immer gleich.

Es lohnt, hier innezuhalten und nach Antworten zu suchen. Sobald man diese Nachforschung beginnt, landet man in einem komplexen Dschungel. D.h. zunächst, dass dieses Problem alles andere als trivial ist. Es gibt  beide Meinungen: der Energieerhaltungssatz gilt im gesamten Universum; oder: er kann hier garnicht angewendet werden. Wir werden im folgenden blogpost beide Standpunkte vorstellen.

Bisheriges Fazit: der Betrag an Vakuumenergie im Universum nimmt permanent zu, ihre Dichte jedoch bleibt konstant. Genau dieses Szenario beschreibt Einstein’s Kosmologische Konstante Ʌ.

Nicht ohne Ironie ist dabei die Tatsache, dass Einstein Ʌ erfand, um die sich aus seiner Allgemeinen Relativitätstheorie ergebende Kontraktion des Universums zu kompensieren und so ein statisches Universum zu erhalten. Nach der Entdeckung Hubbles, dass sich das Universum ausdehnt, liess Einstein die kosmologische Konstante fallen. Nun ist sie wieder da als möglicherweise treibende Kraft für die –sogar beschleunigte- Expansion des Kosmos, als Dunkle Energie.

 

Das bis hierher besprochene Modell der Kosmologischen Konstante ist das zur Zeit bevorzugte. Erwiesen ist es (noch?) nicht. Natürlich gibt es auch andere Modelle. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Überlegung, dass sich die Expansion des Universums inklusive ihrer jetzt beobachteten Beschleunigung über lange Zeiträume und damit grossen Entfernungen ändern könnte und zwar in beide Richtungen – mal schneller, mal langsamer. Damit wäre es mit der konstanten Dunklen Energie, also mit der kosmologischen Konstante Ʌ aus. Diese Möglichkeiten einer Änderung der kosmischen Beschleunigung und der sie treibenden Dunklen Energie mit der Zeit wird einer Kraft mit Namen Quintessenz zugeschrieben, womit die sich dann ändernde Dunkle Energie bezeichnet wird.

Aktuelle und zukünftige Grossprogramme zur Identifizierung

Wir haben bis jetzt eine Reihe von Eigenschaften der Dunklen Energie besprochen. Was die Dunkle Energie nun tatsächlich ist, wissen wir damit noch nicht. Allerdings sind bereits gewaltige  Anstrengungen unterwegs, um dieses Rätsel zu lösen. Zwei der vielversprechendsten seien hier vorgestellt: Der Dark Energy Survey, eine gigantische hightech Durchmusterung von einem Achtel des gesamten Himmels und das sehnlichst erwartete alles Dagewesene sprengende Superteleskop LSST (Large Aperture Synoptic Survey Telescope), zu deutsch etwa “Grosses, lichtstarkes, synoptisches Durchmusterungsteleskop“.

1. Dark Energy Survey

Zunächst also zum Dark Energy Survey, abgekürzt DES. Dieser vermisst die Expansion des Universums mit höchster Präzision. Hierfür wurde eine 570-Megapixel-Digitalkamera gebaut (die sogenannte Dark Energy Camera, DEC), die mit dem 4-m-Blanco-Teleskop des Cerro Tololo Interamerican Observatory in Chile gekoppelt ist. Sie soll innerhalb von fünf Jahren ein Achtel des Gesamthimmels,entsprechend 5000°2

(Quadratgrad) mit höchster Präzision ablichten. Sie wird die 3D-Struktur des Kosmos in grossem Maßstab in 5 optischen Wellenlängenbereichen vermessen, um dabei neue Erkenntnisse zu dunkler Energie und dunkler Materie zu gewinnen. Für insgesamt 300 Millionen Galaxien sollen Daten wie Rotverschiebung, Position und Ausrichtung genauestens bestimmt werden. Auf diese Weise wird eine Karte des erreichbaren Kosmos und seiner Struktur erstellt werden, aus der sich Parameter wie das Clustering von Galaxien, die Anzahl und Rotverschiebung von Supernovae des Typs Ia (Entfernungsbestimmung) und die Verzerrung der Gestalt von Galaxien durch intervenierende Dunkle Materie (durch den schwachen Gravitationslinseneffekt) gewinnen lassen. All das lässt auch Rückschlüsse auf Eigenschaften der Dunklen Energie zu.

 

Das unter grosser internationaler Beteiligung (auch Deutschlands) laufende Projekt begann 2013 und die Beobachtung neigt sich in diesem Jahr bereits ihrem Ende zu. Im Januar 2018 gab es die erste Veröffentlichung grosser Datenmengen. Ihe Auswertung wird Jahre brauchen.

2. Large Aperture Synoptic Survey Telescope

Nach langer Verzögerung wird ab 2023 endlich das Large Aperture Synoptic Survey Teleskop (LSST) seine Arbeit aufnehmen und mit allen bekannten Techniken zur Erforschung der Dunklen Energie Daten liefern, von denen man bisher nur träumen konnte. Es gibt kein vergleichbares Teleskop. Es wird eine 3,2-Milliarden-Pixel-Kamera besitzen, die zwei Mal pro Woche den gesamten sichtbaren Himmel kartieren wird, bis zu Objekten 24. Größe! Während der Gesamtdurchmusterung soll jedes Himmelsareal tausend Mal abgelichtet werden. Ziel ist eine 3D-Karte des gesamten Himmels, auf der zirka zehn Milliarden von schwachen Objekten aller Art und ihre eventuellen Veränderungen festgehalten sind. Die Lichtstärke entspricht einem Primärspiegel von 6,7 Meter Durchmesser. Das LSST soll etwa 30.000 Galaxien und dreitausend Sterne pro Quadratgrad ablichten. Jede Nacht werden zweihundert Millionen Objekte kartiert. Schlussendlich sollen 14.000 Quadratgrad kartiert sein. Die gewaltigen Datenberge werden bereits innerhalb des Teleskops verarbeitet. Von der neuen und superpräzisen Datenflut verspricht man sich die Beantwortung der grundlegensten Daten von Dunkler Energie.

Es lohnt sich dieses komplexe Thema weiter zu verfolgen. Ich hoffe mit diesem blogpost eine bescheidene Orientierung gegeben zu haben wo und wonach man nach Fortschritten zum z.Z. grössten kosmologischen Problem, der Dunklen Energie, suchen kann.

 

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild:  „Cut-away“ Modell des  “Grossen, lichtstarken, synoptischen Durchmusterungsteleskops“. Credit:LSST Project/J. Andrew

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

 

 

 

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