Dunkle Energie Teil 4: Energieerhaltungssatz gilt hier nicht
Anknüpfung an Teil 3: Problem der Energieerhaltung
Im letzten blogpost Teil 3 zu Dunkler Energie (https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-3/) habe ich ausgeführt, dass der Betrag an Vakuumenergie durch die koninuierliche Expansion des Universums, also die permanente Erzeugung neuer Raumzeit („Raumzeitatome“) ebenso kontinuierlich zunimmt und dass dies dem „in der Physik unumstösslichen Energieerhaltungssatz zu widersprechen scheint, der postuliert: Energie kann in einem geschlossenen System weder erzeugt noch vernichtet werden. Lediglich verschiedene Energieformen können ineinander umgewandelt werden. Die Gesamtenergie bleibt immer gleich“. Ich habe angedeutet, dass es hierzu beide Meinungen gibt: Der Energieerhaltungssatz gilt im gesamten Universum; oder: er kann hier garnicht angewendet werden. Wir werden diese konträren Meinungen nun im einzelnen untersuchen. In diesem blogpost befassen wir uns mit den Argumenten, die behaupten, dass der Energieerhaltungssatz hier eben nicht gilt und daher auch nicht verletzt werden kann. Im nächsten blogpost sehen wir uns dann die gegenteilige Meinung an.
Gehalt an Dunkler Energie ändert sich nicht
Zunächst die Fakten: Wir kennen aus den Daten der jahrelangen Untersuchung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (durch u.a. den WMAP und den Planck Satelliten) die Zusammensetzung des Universums. Der Anteil der Dunklen Energie beträgt 69,2% (vgl. hierzu https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-1-entdeckung-bedeutung-konsequenzen/ ). Diese Daten zeigen die Zusammensetzung 380 000 Jahre nach dem Urknall, der ausschliesslich für die gesamte Materie und Energie des Universums gesorgt hat. Das konnte sich danach nicht mehr ändern, gilt also auch für heute.
Andererseits haben wir oben gesehen, dass durch die Expansion des Kosmos unaufhörlich neue Raumzeit zusammen mit neuer, also mehr Dunkler Enregie entsteht. Pro jeder frei wählbaren, aber gleichen Volumeneinheit des Raums gibt es einen konstanten Betrag Dunkler Energie. D.h. deren Dichte im Raum ändert sich nicht und damit auch nicht ihr Anteil von 69,2%. Innerhalb des Gesamtuniversums hat jedoch die absolute Menge an Dunkler Energie zweifelsfrei zugenommen. Ist damit dann der Energieerhaltungssatz verletzt?
Energieerhaltungssatz: Geschichte und Zusammenhänge
Sehen wir uns also einmal diesen berühmten Satz und die ihn begleitenden Regeln näher an. Hier muss zuerst ein fast vergessener Name genannt werden: Emmy Noether. Die deutsche Mathematikerin hat vor knapp 100 Jahren die Entdeckung gemacht, dass alle Erhaltungssätze eine Folge bestimmmter Symmetrien sind. Uns interessiert hier die sog. Zeitsymmetrie. Naturgesetze und entsprechende Experimente werden durch den gleichmässigen Verlauf der Zeit nicht verändert. Ebensowenig werden sie durch den Raum verändert (räumlicheSymmetrie). Wo und wann ein entsprechendes Experiment durchgeführt wird, hat keinen Einfluss auf das Ergebnis. Die Experimente sind unter diesen Bedingungen voll reproduzierbar.
Aus der Zeitsymmetrie folgt auch, dass es egal ist, ob die Experimente in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft duchgeführt werden. Man kann immer ein identisches Ergebnis erwarten. Entsprechend folgt auch aus der Zeitsymmetrie die Erhaltung der (Gesamt-) Energie. Dies entspricht der Noether’schen Verknüpfung von Symmetrie und Erhaltungssatz, hier also konkret der Zeitsymmetrie und dem Energieerhaltungssatz.
Symmetriebrüche machen den Energieerhaltungssatz irrelevant
Jetzt liegt die Frage nahe:Sind Zeitsymmetrie und damit auch die Energieerhaltung absolute, universell gültige Parameter oder gibt es Situationen, für die sie nicht gelten, also gebrochen sind.Wir haben in diesem blog bei der Diskussion Dunkler Materie bereits andere Symmetriebrüche kennengelernt (vgl. z.B. https://cosmoblog.space/dunkle-materie-teil-6-bedeutung-des-unerwarteten-verhaltens-von-neutrinos-und-antineutrinos/ ). Die Frage ist also nicht unberechtigt. Wie wir wissen, krümmen nach der Allgemeinen Relativitätstheorie Materie und Energie den Raum und zwar in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Masse – also verschieden stark. Die diesbzügliche Raumsymmetrie ist dadurch gebrochen. Auf Grund der verschiedenen Verformbarkeit des Raums durch Materie bzw. Energie wird auch die Geometrie des Raums verändert. Experimente bzw. Vorgänge, die in verschieden geformten Raumsegmenten stattfinden, können durchaus auch zeitlich unterschiedlich ablaufen. Das heisst nichts anderes als dass im Universum auch die Zeitsymmetrie gebrochen ist! Damit gilt auch der Satz der Energieerhaltung nicht mehr. Die Dunkle Energie könnte demnach ohne Verletzung des Erhaltungssatzes zunehmen.
Da wir bei weitem nicht alle im Universum ablaufenden Vorgänge kennen, geschweige denn messen und katalogisieren können, gehen manche ernst zu nehmenden Wissenschaftler so weit, zu behaupten , dass „die Gesamtenergie des Alls weder erhalten bleibt noch verloren geht – sie ist einfach undefinierbar“ (Zitat aus „Spektrum der Wissenschaft“, November 2010, S.23ff von (Prof.) Tamara M. Davis).
Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder
Beitragsbild: Entwicklungsstadien (Expansion!) des Universums vom Urknall bis heute
Credit:Von NASA / WMAP Science Teamsimple retouch by Yikrazuul – NASA -site. Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12729427
Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)