Der kosmische Mikrowellen-Hintergrund, Teil 2 (Cosmic microwave background, CMB)

Der kosmische Mikrowellen-Hintergrund, Teil 2 (Cosmic microwave background, CMB)

Im 1. Teil zu diesem Thema haben wir die Entstehung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung behandelt und ihre Wechselwirkung mit anderen Parametern des jungen Universums kennen gelernt (https://cosmoblog.space/kosmischer-mikrowellen-hintergrund/)‎. Dabei kristallisierte sich langsam heraus, welchen Informationsschatz diese Strahlung enthält – nicht offensichtlich, sondern tief vergraben. Er wurde im internationalen Zusammenwirken von genialen Teams von Satellitenkonstrukteuren und theoretischen Astrophysikern gehoben.

1.Ergebnis: Die theoretisch postulierten Schallwellen im Plasma des frühesten Universums (vgl. Teil1) sind nachgewiesen

und erscheinen im sog. Powerspektrum als „akustische Peaks“ bei den erwarteten Wellenlängen. Aufgrund seiner überragenden Wichtigkeit sei das Powerspektrum hier nochmals wiedergegeben:

 

 

                                                                                                               Powerspektrum der kosmischen Mikrowellen Hintergrundstrahlung                                                               

                                                                                                                                            Quelle: Planck Kollaboration, ESA

 

 

Im Powerspektrum ist auf der Ordinate die Intensität der Temperaturfluktuationen in Mikrokelvin (µK2) – zur besseren Darstellung quadratisch – aufgetragen. Die Abszisse gibt die Grösse des jeweils betrachteten Himmelsausschnitts in Winkelgraden wieder. Zur Veranschaulichung: der Vollmond erscheint unter einer Winkelgrösse von ½ Grad. 1° sind also zwei Vollmonddurchmesser.

 

Das Powerspektrum zeigt einen klaren Haupt- und kleinere Nebenpeaks. Der Clou ist nun -wie oben bereits angedeutet-, dass diese Peaks identisch mit jenen der Schallwellen sind, d.h. das Powespektrum ist auch ein Abbild der akustischen Peaks. Entsprechend können die kleineren Nebenpeaks auch als „Obertöne“ des Hauptpeaks angesehen werden. Die Gesamtkurve ist das theoretisch berechnete Powerspektrum, während die Punkte Messpunkte des Planck-Satelliten sind. Wie die Abbildung zeigt, ist die Übereinstimmung praktisch perfekt.

2.Ergebnis: Das Universum ist flach!

Aus dem Powerspektrum lässt sich die Geometrie des Universums bestimmen. Lange wurde darüber gestritten, ob das Universum flach, positiv oder negativ gekrümmt ist. Eine positive Krümmung würde einer Kugeloberfläche, eine negative Krümmung einer Satteloberfläche entsprechen. Die Geometrie des Universums ist eine direkte Folge der Krümmung der Raumzeit durch Materie und Energie (Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein). Es lässt sich damit vorhersagen, unter welchem Winkel die Peaks des CMB für jede Geometrie erscheinen müssen. Ist das Universum flach, betrüge der Winkel 1°. Das bedeutet, dass die „heissen“ und „kalten“ Flecken im Temperaturmuster (vgl. das Beitragsbild in Teil 1: https://cosmoblog.space/kosmischer mikrowellenhintergrund/)‎ einen Durchmesser von 1° aufweisen. Bei positiver Krümmung müsste er grösser, bei negativer Krümmung kleiner als 1° sein. Ein Blick auf die Abbildung des Powerspektrums zeigt uns, dass der Hauptpeak exakt bei 1° liegt, wie von den WMAP- und Planck-Satelliten bestimmt. Das Universum ist flach, was übrigens auch die „Inflationstheorie“ fordert, mit der wir uns später noch ausführlich beschäftigen werden.

3. Ergebnis: Das Verhältnis von Dunkler zu Baryonischer Materie beträgt 5,28:1.

Wir wissen bereits, dass die Dunkle Materie als gravitativer Anker für die Anlagerung von „normaler“ baryonischer Materie fungiert (https://cosmoblog.space/dunkle-materie-teil1-entdeckung-und-eigenschaften/). Diese fortlaufende Gravitation Dunkler auf Baryonische Materie führte zu einer weiteren Ver- stärkung der dichteren »Flecken« (höhere Temperatur) und damit zu einer Asymmetrie mit den ausgedünnten Flecken, die nach der Rekombination nicht mehr wuchsen, da der hierfür verantwortliche Gegendruck durch Photonen fehlte. Je höher der Anteil der Baryonischen Ma- terie relativ zur Dunklen Materie hierdurch wurde, umso stärker sind die »dichten« Flecken im Vergleich zu den ausgedünnten Flecken komprimiert. Das bedeutet aber auch, dass die ungeradzahligen (1, 3, 5 …) akustischen Peaks im Vergleich zu den geradzahligen (2, 4, 6 …) stärker werden.  Hieraus lässt sich das Verhältnis Dunkler Materie zu Baryonischer Materie berechnen. Die Messung der ersten drei akustischen Peaks durch den Planck-Satelliten führt zum zitierten Verhältnis von 5,28 zu 1 von Dunkler zu Baryonischer Materie. Dies ist im Einklang mit der Bestimmung Baryonischer Materie durch ganz andere Methoden.

  1. Ergebnis: Die genaue Bestimmung der Anteile von Materie und Energie im Universum.

Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie braucht man enorm viel Materie und/oder Energie, um ein flaches Universum zu erhalten. Die Aufsummierung aller beobachteten Materie und Energie reicht hierzu bei Weitem nicht aus. Die Differenz kann daher nur die sogenannte Dunkle Energie sein, die für die beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich ist (vgl. hierzu  https://cosmoblog.space/dunkle-energie-teil-1-entdeckung-bedeutung-konsequenzen/). Die Kombination all dieser Daten führt zu der überraschenden Schlussfolgerung, dass  das Universum zu 69,2 Prozent +/-1,2 Prozent aus Dunkler Energie, 25,9 Prozent Dunkler Materie und 4 ,9 Prozent Baryonischer Materie besteht. Da wir bis heute weder wissen woraus Dunkle Materie noch woraus Dunkle Energie besteht, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass uns auch 2019 95% des Universums unbekannt sind.

 

  1. Ergebnis: Das Alter des Universums beträgt 13,799 +/-0,038 Milliarden Jahre (seit dem Urknall).

Mit der nun bekannten Zusammensetzung des Universums lassen sich die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Bestimmung der Expansion des Universums anwenden (was ich mit Vergnügen unterlasse…) Damit erhält man das obige Ergebnis.  Auch dieses ist in exzellenter Übereinstimmung mit der Altersbestimmung mit anderen Methoden (Rezessionsgeschwindigkeiten von Galaxien, Evolution der Makrostrukturen etc.)

 

 

 

 

Der WMAP- Satellit ist nach wie vor in Betrieb und funktionsfähig, sodass die Messungen stetig verfeinert und zirka alle zwei Jahre weiter veröffentlicht werden. Inzwischen ist der europäische Planck-Satellit jedoch der Star bei der Bestimmung dieser Werte, da seine Empfindlichkeit wesentlich höher als die des WMAP-Satelliten ist. Und nicht nur das: Die statistische Genauigkeit der Ergebnisse ist unerreicht. So hat Planck das Alter des Universums mit einer statistischen Schwankung von nur+/- 38 Millionen Jahren bestimmt. Wir haben bisher die Evolution des Universums von den Anfängen bis zu einem Alter von 380.000 Jahren verfolgt und gesehen, welche wertvollen Informationen die kosmische Hintergrundstrahlung enthält und wie sie ihr durch grosse und kreative Geister in ebenso grossen und kreativen, internationalen Teams abgerungen wurden.

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild: Satellit Planck lauscht dem Echo des Urknalls. Der erste von Planck vermessene Streifen (des Gesamthimmels).

Credit: ORF On Science; https://sciencevl.orf.at/news/156768.html (2009)

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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