Dunkle Materie Teil 3: Woraus besteht sie?

Dunkle Materie Teil 3: Woraus besteht sie?

 

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Wir wissen also mit ziemlicher Sicherheit, dass es Dunkle Materie gibt und wie sie im Universum verteilt ist. Was wir nicht wissen, ist, woraus sie besteht. Klar ist lediglich, dass es keine Baryonische Materie sein kann, dass sie aber Gravitation ausübt und spürt, also über diese mit Baryonischer Materie wechselwirkt. Wenn wir uns im Folgenden mit möglichen Kandidaten befassen, muss klar sein, dass wir uns hierbei im Reich der Spekulation bewegen. Nichtsdestoweniger gibt es Kandidaten, die wahrscheinlicher sind als andere.

 

Aufgrund der von Dunkler Materie zu fordernden Eigenschaften, nämlich Gravitation, schwache diesbezügliche Wechselwirkungen untereinander und mit Baryonischer Materie sowie im Vergleich zu Elementarteilchen (Fermionen und Bosonen) deutlich schwerere Partikel, wird eine Gruppe bisher exotischer, da nicht nachgewiesener Teilchen favorisiert, die sogenannten »WIMPs«. Das steht für »Weakly Interacting Massive Particles«. Man kann natürlich fragen, warum Dunkle Materie aus nur einem Teilchen bestehen muss. Sichtbare, Baryonische Materie gibt es in vielfältigster Form und Kombination – man denke nur an die 118 Elemente des Periodensystems und die unzähligen Verbindungen, die sie eingehen können.

 

Dunkle Materie wechselwirkt nur schwach gravitativ mit sich selbst oder Baryonischer Materie. Möglicherweise kann sie auch mit Teilchen, die die schwache Kernkraft »spüren«, wechselwirken. Sie »fühlt« jedoch keine anderen Kräfte und trägt keine Ladung. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie Atome oder gar Mole- küle bilden kann. Das ist die Rationale hinter der Suche nach einem beziehungsweise dem Teilchen Dunkler Materie. Zurück zu den WIMPs. Sie sollen also deutlich schwere Teilchen sein, keine elektrischen Ladungen tragen, also nicht mit Photonen wechselwirken und daher im wahrsten Sinn des Wortes dunkel sein.  Bis heute bleiben WIMPs ein theoretisches Postulat, gleichzeitig aber heiße Kandidaten für Dunkle Materie.

Gibt es außer den WIMPs noch andere Kandidaten für Dunkle Materie? Absolut. Ein weiteres, schon vor Jahrzehnten postulier- tes, aber eben auch nur theoretisches Teilchen ist das sogenannten Axion. Es ist eine Vorhersage der sogenannten Superstringtheorie, mit der wir uns in einem späteren post beschäftigen werden.  Der Hauptunterschied zu WIMPs liegt in dem Postulat, dass es – doch! – deutlich leichter sein soll und damit im Bereich von leichten Atomen oder sogar eines Protons liegt. Das Axion ist ein neutrales Teilchen, das nur außerordentlich schwach wechselwirkt. Aufgrund theoretischer Überlegungen könnte es in ausreichender Menge produziert worden sein, um die heute vorhandene Dunkle Materie zu erklären. Es soll Ähnlichkeiten mit dem Pion aufweisen, das ja aus einem Quark und einem Antiquark besteht. Gefunden wurde es bisher nicht.

Ein anderes exotisches Teilchen, ebenfalls schon vor Jahrzehnten postuliert, zur Zeit aber wohl der »heißeste Kandidat« für Dunkle Materie ist das Neutralino. Es handelt sich um ein schweres, stabi- les, aber ebenfalls – bis heute – hypothetisches Teilchen. Es kann, gemäß mehrerer Modelle, im heißen Plasma des frühen Universums entstehen. Seine Masse würde zwischen 10 und 10.000 GeV liegen, und es gehört zu den WIMPs.

 

Anders als die oben diskutierten WIMPs gehört es auch einer ganz besonderen, hypothetischen Substanzklasse an: Es ist ein sogenanntes supersymmetrisches Teilchen.

Hier nur das Wichtigste zum Verständnis. Die Supersymmetrie (kurz: SuSy) ist eine Erweiterung des Standard- modells der Teilchenphysik, die von vielen Experten als sehr wahrscheinlich angesehen wird, würde sie doch eine Reihe noch ungelöster Probleme auf elegante Art lösen. SuSy postuliert für alle Teilchen des Standardmodells korrespondierende sogenannte Superpartner, die wesentlich schwerer sind als die Elementarteilchen, aber mit Ausnahme des Spins die gleichen Quantenzahlen besitzen. Der Spin unterscheidet sich um den Wert ½ bei den korrespondierenden Teilchen. Der Superpartner jedes Fermions wäre das entsprechende Boson und umgekehrt.

 

Das hiesse, dass Elementarteilchen immer paarweise auftreten. Bisher ist auch hier noch kein einziges Superteilchen gefunden worden. Der Grund hierfür wird in ihren hohen Massen und damit der enormen Energie gesehen, die für ihre Erzeugung nötig ist und bis vor Kurzem nicht zur Verfügung stand. Die grössten Hoffnungen Superpartner zu finden, ruhen zur Zeit auf dem aufgerüsteten “Large Hadron Collider” (LHC) am CERN. Die notwendigen Energien stehen jetzt schon eine geraume Zeit zur Verfügung – leider ohne Ergebnis. Das Nicht-Auffinden der Superpartner würde zu enormen Konsequenzen in der Astrophysik und Kosmologie führen, da damit auch Konzepte wie Extra-Dimensionen, Stringtheorie und Vakuumenergie, die alle auf die Superpartner angewiesen sind, tot wären.

Zurück zum Neutralino. In vielen supersymmetrischen Modellen zerfallen die Superpartner extrem schnell. Das jeweils leichteste Superpartnerteilchen jedoch ist stabil und wird weder von der starken Kernkraft noch von der elektromagnetischen Kraft beeinflusst. Das ist genau, was für das Teilchen der Dunklen Materie gefordert wird. Auch die ebenfalls geforderte schwere Masse ist gegeben. Alle Eigenschaften treffen also auf das Neutralino zu, weswegen es bis heute der Topkandidat für Dunkle Materie ist.

 

Der Versuch eines direkten Nachweises Dunkler Materie wurde und wird auch mit Untergrund-Experimenten unternommen. Sie versuchen, zum Beispiel im Gran Sasso National Laboratory 1.500 Meter unter den Apeninnen, Zusammenstöße von Partikeln Dunkler Materie mit ultrareinen Detektoren wie Xenon 100 zu messen. Dieses erste Experiment enthielt 161 Kilogramm flüssiges, tiefstgekühltes Xenon. Gemessen werden die äußerst seltenen Zusammenstöße von Teilchen Dunkler Materie mit Xenon-Atomkernen, die Lichtblitze, Wärme oder schwache Ströme erzeugen, welche messbar sind. Dieses Experiment hat nach über zweihundert Tagen – nichts gefunden. Immerhin hat es damit aber eine Reihe von Theorien ausgeschlossen.

Zur Zeit befindet sich ein Experiment mit 3.500 Kilogramm ultrareinen und ultrateuren flüssigen Xenons im Aufbau, an dem 21 Institutionen aus 24 Ländern beteiligt sind. Es trägt den Namen Xenon 1T und steigert die Empfindlichkeit gegenüber dem Xenon 100 Experiment um mehr als das Zehnfache.

 

Wir fassen zusammen:

  1. Die Existenz Dunkler Materie wird heute von keinem ernsthaften Wissenschaftler mehr bezweifelt und ist unter Astrophysikern und Kosmologen Konsens.
  2. Es ist gelungen, die Verteilung der Dunklen Materie sowohl im Gesamtuniversum als auch in Galaxienclustern und einzelnen Galaxien zu kartieren.
  3. Es ist bisher nicht gelungen, die submikroskopische Natur und Struktur der Dunklen Materie aufzuklären. Dutzende aufwändiger Experimente arbeiten weiter daran und schränken die Möglichkeiten immer weiter ein.

Könnte es sein, dass alle bisherigen Versuche, die Natur Dunkler Materie zu entschlüsseln in die völlig falsche Richtung gegangen sind? Bleiben Sie gespannt; mein nächster blogpost (ca.in der 2. Märzhälfte) wird versuchen, erste Antworten zu geben.

 

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild: llustris Simulation des Universums zentriert auf ein massives Cluster. Zeigt den Übergang von dunkler Materie (links, blau) in heisses Gas (rot/gelb). Credit: Illustris collaboration/Illustris simulation

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

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