Dunkle Materie Teil 2: Nachweis

Dunkle Materie Teil 2: Nachweis

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Eine Reihe ebenso intelligenter wie komplexer astronomischer Beobachtungen und Experimente hat zu indirekten statistisch gesicherten Ergebnissen geführt, die jeden weiteren Zweifel an der Existenz Dunkler Materie ausschliessen. Einige dieser bahnbrechenden Projekte möchte ich hier besprechen. Sie haben z.T. sogar Dunkle Materie „sichtbar“ gemacht – nicht weil man sie direkt sehen könnte, sondern weil man sie messen kann. Die Darstellung erfolgt durch spezielle Farbkodierung von Arealen um Galaxien und im Weltraum, die den erwarteten Eigenschaften Dunkler Materie entsprechen und sich somit signifikant von den sichtbaren Arealen in Galaxien und im intergalaktischen Raum (dort vor allem heisses Gas, also „normale“ baryonische Materie) unterscheiden.

Seit der Existenz des äußerst leistungsfähigen Fermi-Gamma-ray-Teleskops der NASA, das im Juni 2008 gestartet wurde, machten sich Astronomen Hoffnungen, ungewöhnliche, über den normalen Hintergrund hinausgehende Gamma-Emissionen Dunkler Materie zuordnen zu können. Dahinter steckt die Annahme, dass Partikel der Dunklen Materie ihr eigener Antikörper sind (wie etwa auch beim Neutrino) und sich daher selbst unter Aussendung von Gammastrahlen vernichten. Tatsächlich fand das Teleskop ein helles Gamma- Emissionsband in der galaktischen Ebene der Milchstraße, das um das Zentrum herum eine entsprechende Verbreiterung aufweist. Diese Interpretation ist nicht unumstritten. Die Fermi Beobachtungen sollen bis Ende 2018 fortgesetzt werden.

 

Die bisher überzeugendste und akzeptierte Methode ist tatsächlich in der Lage, Areale Dunkler Materie zu kartieren. Dies gelingt durch die Auswertung sog. Gravitations- (bzw. Einstein-) Linsen, die von diesem in der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wurden. Dahinter steckt die – ebenfalls von Einstein gemachte – Entdeckung, daß auch Photonen die Gravitationskraft „spüren“. Das kann bei entsprechender Anordnung von Galaxien auf unserer Sichtlinie dazu führen, daß das Licht einer sehr entfernten Galaxie enorm verstärkt wird, wenn es beispielsweise an einem grossen Galaxiencluster oder einer sehr grossen Galaxie vorbei fliegt. Durch die Schwerkraft dieser auf seinem  „Weg“ liegenden Galaxien wird das Licht so fokussiert, daß in einem grossen Teleskop (Hubble!) eine Abbildung der entfernten Galaxie entsteht, die sonst niemals zu sehen gewesen wäre. Die Ablenkung führt zu einer Vergrößerung, praktisch zu einem kosmischen Zoomeffekt. Dabei kommt es in vielen Fällen zu einer Mehrfachabbildung, wenn das Licht an verschiedenen Seiten des linsenbildenden Clusters vorbeiläuft. Da das Licht hierbei verschieden lange Wege zurücklegt und die gravitative Ablenkung auf Grund der heterogenen Massenverteilung im Cluster jeweils etwas verschieden ist, kommt es zu den verschiedenen Abbildungen.

Der starke Linseneffekt beruht auf riesigen Mengen Dunkler Materie im Cluster. Womit wir wieder beim Thema sind.

 

Wie die Kartierung Dunkler Materie unter Ausnutzung einer Einsteinlinse funktioniert, wurde an zwei verschmelzenden Clustern im Sternbild Carina überzeugend demonstriert. Das Gesamtcluster wird als bullet cluster bezeichnet. Dabei füllt heißes Gas das ClusterVolumen und  macht  dabei  zirka  neunzig  Prozent der leuchtenden Materie aus. Dies wurde mittels des Chandra-Röntgenobservatoriums bestimmt. Das gleiche Team (der University of Arizona und des Harvard Smithsonian Center for Astrophysics) bestimmte dann mit optischen Teleskopen und mittels der Gravitationslinsen-Technik die Massenverteilung innerhalb des Clusters. In den Bereichen stärkster Gravitation wurde kaum sichtbare Masse, nämlich heißes, leuchtendes Gas, gefunden. Letzteres und Dunkle Materie waren also an verschiedenen Stellen lokalisiert, wobei die Gesamtmasse des Clusters von Dunkler Materie dominiert wurde. Dies wird als ein starker Beweis ihrer Existenz gewertet.

 

Die zusammengesetzte Abbildung der Teams ist oben als Beitragsbild wiedergegeben. Es zeigt die Ergebnisse in eindrucksvoller Weise: Rot repräsentiert das heiße, leuchtende Gas (gemessen vom Chandra-Satelliten), blau sind die Stellen größter Gravitation, also der bei Weitem überwiegenden Masse Dunkler Materie (gemessen über Gravitationslinsen- Beobachtungen mittels des Hubble- und Magellan-Teleskops).

Ein anderes, sehr vielversprechendes Forschungprojekt beruht auf dem sog. Verwischungseffekt (engl.: smearing effect) in der Gestalt weit entfernter Galaxien durch intervenierende Dunkle Materie, die das Licht durchqueren muss, bevor es nach Milliarden von Jahren unsere Teleskope erreicht.

Es handelt sich um das Großprojekt »Dark Energy Survey«, dessen Hauptzweck es ist, der geheimnisvollen  Dunklen Energie auf die Spur zu kommen (die Thema  eines zukünftigen posts sein wird). Dazu wird die Expansion des Universums mit höchster Präzision vermessen. Hierfür wurde eine 570-Megapixel-Digitalkamera gebaut (die sogenannte Dark Energy Camera, DEC), die mit dem 4-m-Blanco-Teleskop des Cerro Tololo Interamerican Observatory gekoppelt ist. Sie soll die 3D-Struktur des Kosmos in großem Maßstab vermessen, um dabei neue Erkenntnisse zu dunkler Energie und dunkler Materie zu gewinnen.

 

Und die ersten Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten: Im April 2015 veröffentlichte der Arbeitskreis (Vinu Vikram et al.) die erste Karte der Verteilung Dunkler Materie im Kosmos, die man kaum anders als sensationell bezeichnen kann. Mit Daten von nur drei Prozent der geplanten Übersicht, entsprechend eine Million Galaxien in Entfernungen von 5,8  bis 8,5 Milliarden Lichtjahren wurde eine 2D-Karte der dunklen Materie erstellt. Sie beruht auf dem Verwischungseffekt Dunkler Materie auf die Gestalt der Galaxien (s. oben). Dieser Effekt wirkt wie eine Gravitationslinse für die Betrachtung der Galaxien. In der Karte aufgetragen ist die Menge Dunkler Materie entlang der verschiedenen Sichtlinien im untersuchten Areal  (vgl. folgende  Abb. ).

 

Wide-Field Lensing Mass Maps from DES Science Verification Data
Mass map with locations of galaxy clusters

                                                                                              Kartierung Dunkler Materie. Credit: Vinu Vikram et al., Dark Energy Survey, 2015

 

Die Farben codieren die Dichte Dunkler Materie: Rot – hohe Dichte, Blau – geringe Dichte. Die grauen Kreise repräsentieren Galaxienhaufen, die größeren Kreise entsprechend größere Haufen. Man sieht, dass die größten Galaxienhaufen in den roten Arealen liegen,umgeben von  riesigen Halos Dunkler Materie, von Durchmessern bis zu Millionen Lichtjahren. In den blauen Arealen befinden sich zum Teil kosmische voids (riesige Leerräume). Wenn man den farbigen Strukturen Dunkler Materie folgt, sieht man auf den ersten Blick die spinnennetzartige Struktur im Kosmos (deren Natur uns noch in einem eigenen post beschäftigen wird). An den Filamenten sind die Galaxiencluster aufgereiht! Das  ist nicht weniger als eine quasi fotografische Bestätigung der Makrostruktur des Kosmos, wie sie aus ganz anderen Daten abgeleitet wurde. Ein fabelhafter Erfolg – und das mit nur drei Prozent des insgesamt zu untersuchenden Bereichs. Und die spannende Geschichte Dunkler Materie ist alles andere als zu Ende. Fortsetzung folgt.

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild: Galaxiencluster IE 0657-56 („bullet cluster“). Credit: NASA/CXC/CFA/STSCI/Magellan/ESO/M.Markevitsch/D. Clowe & Others

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

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