Die kosmischen Leerräume (voids)

Die kosmischen Leerräume (voids)

 

 

In den beiden vorletzten blogs (https://cosmoblog.space/makrostruktur-der-materie-im-kosmos-teil-1/ und Teil 2) haben wir uns mit der Struktur der Materie im sich entwickelnden Kosmos und damit mit der Struktur des sichtbaren Universums selbst beschäftigt. Wir haben gesehen, dass sich über die Milliarden von Jahren eine spinnennetzartige Struktur, das kosmische Netz (engl.: cosmic web), ausgebildet hat.

Entstehung der Leerräume durch Gravitation und Expansion

Die etwas stärkere Gravitation der Dunklen Materie auf die sichtbare Materie führte im Verlauf der kontinuierlichen Expansion des Universums zu einer minimalen Retardierung derselben in diesen Bereichen, wobei die Dunkle Materie als »Anker« für die baryonische Materie angesehen werden kann. Aufgrund ihrer stärkeren Gravitation zogen diese dichteren Areale im weiteren Verlauf immer mehr Materie an und legten so die Grundlage für Galaxienhaufen, Galaxien und Sterne. Das kosmische Netz besteht aus riesigen Filamenten und Wänden Dunkler Materie, entlang derer beziehungsweise auf denen sich die sichtbare Materie in Form von Galaxien und an ihren Schnitt- und Kreuzungspunkten in Form gigantischer Cluster von Tausenden Galaxien anordnet.  Diese Strukturen haben sich über sehr lange Zeiträume gebildet, in denen sich, wie beschrieben, dunkle und sichtbare Materie immer weiter in Filamenten und Wänden konzentrierte. Dies führte zusammen mit der Expansion des Universums aber auch dazu, dass sich der Raum zwischen den Filamenten und Wänden allmählich »leerte«.

Übereinstimmung von Simulation und Beobachtung

Nur so konnte die Spinnennetzstruktur entstehen. Diese Leerräume können in allen beobachtungsbasierten (von deep field-Aufnahmen des Hubble Space-Teleskops bis zum Sloan Digital Sky Survey) und computer-simulierten Darstelllungen (wie der Bolshoi-Simulation) nachgewiesen werden. Sehen wir uns daraufhin mit dem Beitragsbild eine Vergrößerung aus der Bolshoi-Simulation mit einem Durchmesser von dreihundert Millionen Lichtjahren an. Die riesigen Leerräume, englisch cosmic voids genannt, sind sofort evident. Sie wurden Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre entdeckt. Die erste überzeugende Kartierung des cosmic web erfolgte 1986 durch den sog. CfA Redshift Survey (Harvard Smithsonian Center for Astrophysics) der Wände mit über tausend Galaxien zeigte, getrennt durch immense Leerräume. Dreißig Jahre später verfügen wir über Darstellungen wie oben, die nur durch die rasante Entwicklung der Detektor-Technologie sowie der Rechenkapazität von Computern möglich wurde. In den 1980er Jahren konnten „nur“ Simulationen mit einigen hunderttausend Partikeln durchgeführt werden (wie der oben erwähnte CfA Redshift Survey), die Filamente, Wände und voids zeigten. Heutige Simulationen werden mit zehn Milliarden Partikeln durchgeführt und sind in der Lage, auch Dunkle Materie und die Entwicklung von Galaxien zu modellieren.

Wie leer sind voids?

Je weiter die Strukturbildung im Universum durch Gravitation von dunkler und normaler Materie fortschritt, desto stärker wurde der Raum zwischen diesen Strukturen entleert. Die Materiedichte in den voids ist in ihren Zentren am niedrigsten beziehungsweise praktisch Null. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Materie natürlich zu den dichteren Grenzstrukturen der Filamente und Wände hingezogen wird. Diese begrenzen und umgeben damit die voids.

Voids sind nicht ganz leer: Ihre Materiedichte liegt jedoch um mindestens achtzig Prozent unter der durchschnittlichen Dichte des Raums. Auch einzelne, isolierte Galaxien finden sich in ihnen. Insgesamt gesehen, handelt es sich jedoch um gigantische Leerräume. Ihre Grösse ist atemberaubend und liegt typischerweise bei wenigen hundert Millionen Lichtjahren. Einige wenige erreichen jedoch über eine Milliarde Lichtjahre.

Unser Nachbar: ein „local void“

1987 wurde per Zufall von Brent Tully (Universität von Hawaii) und Richard Fisher (National Radio Astronomy Observatory, U.S.A.) ein riesiger Leerraum in -aus kosmischer Perspektive- unserer unmittelbaren Nachbarschaft entdeckt. Er beginnt, aus unserer Perspektive gesehen, hinter der Rückseite des Zentrums unserer Milchstrasse in 4 Millionen Lichtjahren Entfernung. Die sehr staubhaltige galaktische Ebene der Milchstrasse blockiert leider unsere direkte Sichtlinie auf diese Leerstruktur, die von den Entdeckern passend als local void bezeichnet wurde. Sie besitzt einen Durchmesser von einer viertel Milliarde Lichtjahren! Wegen dieser Grösse ist sie -oberhalb und unterhalb- der galaktischen Milchstrassen-Ebene mit Radioteleskopen, die den Staub durchdringen können, durchaus beobachtbar. Dies ist ein absoluter Glücksfall, erlaubt er doch eine detaillierte astronomische Untersuchung und Analyse unseres local void. Dabei liegt ein Augenmerk auf der Existenz einzelner, isolierter Galaxien, die in weiter entfernten voids nicht sichtbar wären. Es wird angenommen, dass sich solche isolierten Galaxien in voids evtl. anders entwickeln als in Galaxienclustern.

Das Wachstum der Leerräume

Faszinierend sind die Eigenschaften des leeren Raums! Aufgrund der fehlenden Gravitation innerhalb der voids dehnen sich diese mit der zunehmenden Expansion des Kosmos schneller aus als die materiehaltigen Regionen. Letztere, überwiegend in Galaxienclustern angeordnet, tendieren aufgrund der starken lokalen Gravitation dazu, zu kollabieren. Damit werden die materiehaltigen Regionen kleiner, die Leerräume aber größer. Schlussendlich stoßen sie aber an Galaxien-Supercluster und erreichen damit eine räumliche Begrenzung. Astronomen schätzen, dass die voids zwischen fünfzig und achtzig Prozent des gesamten Kosmos ausmachen! Neuere Schätzungen gehen sogar von bis zu 95 Prozent aus. Damit sind sie die größten Strukturen des Universums und man kann mit Fug und Recht sagen, dass das Universum (fast) leer ist.

Welche faszinierende Lehre uns die Leere des Kosmos noch erteilen kann, untersuchen wir im nächsten blogpost.

 

Headerbild: Spinnenetzstruktur des Universums; Würfel mit Kantenlänge 1 Milliarde Lichtjahre; Bolshoi Simulation. Credit: NASA, ESA and E. Hallman, University of Colorado; Boulder

Beitragsbild: Bolshoi Simulation der Spinnenetz-Struktur im Kosmos. Durchmesser 300 Millionen Lichtjahre. Credit: Stefan Gottlöber, Leibnitz Institut für Astrophysik, Potsdam

Verantwortlich: Peter H. Jacobi (Autor von „Cosmoblog. Kosmologie: Über die Grundlagen zur Spitzenforschung von heute und morgen“; K.Fischer Verlag, September 2017)

 

 

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